Nachdem dieser Blog jetzt schon eine gute Weile laviert, habe ich die jüngsten Kommentare nochmals zum Anlass einer Theoriebestimmungen genommen. Als Theorie bezeichne ich die – dia logos explizit gemachte – Reflexion meiner Anschauung.
Als Kybernetik bezeichne ich (m)eine Theorie, in welcher eine bestimmte Anschauung dargestellt wird. Durch diese Anschauung nehme ich Maschinen war, deren Funktionsweise ich durch Regelkreise beschreiben kann. WENN ich die Kybernetik als Theorie verwende, sehe ich genau das, was durch diese Theorie sichtbar wird – und logischerweise alles andere nicht oder nicht so.
Es gibt für mich keine Welt, die mir sagt, durch welche Theorie ich sie anschauen sollte. Jede Welt ist – im Radikalen Konstruktivismus – vielmehr das Resultat der gewählten Theorie, wobei dder Theorie kein Primat zukommt, sondern sie erklärt a posteriori, warum mir die Welt so und nicht anders erscheint. Diese Vorstellung ist selbst bBestandteil einer Theorie, die ich als Konstruktivismus bezeichne. Wer kein Konstruktivist oder ein ganz anderer Konstruktivist ist, mag das alles ganz anders sehe – eben weil er eine andere Weltanschauung verwendet. Als Konstruktivismus bezeichne ich die Kybernetik unter dem Gesichtspunkt, dass ich Kybernetik als Theorie wähle, während Kybernetik im Rahmen von anderen Weltanschauungen beispielsweise als Ingenieurswissenschaft oder als rationale Kalkül gesehen wird.
Wenn ich die Kybernetik – was ich mache – als Theorie bezeichne, muss ich sie explizit dia logos so darstellen, dass darin meine Weltanschauung sichtbar wird. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Kybernetik legt (mir) nahe, anhand der Gegenstände, die ich durch diese Theorie erkenne, die Theorie darzustellen. Gegenstand der Kybernetik ist ein funktionierender Mechanismus, also etwas, wovon ich sinnvoll fragen kann, wie es funktioniert. Dabei ist es für die Kybernetik ganz gleichgültig, was für einen Mechanismus ich anschaue. In seiner berühmten Einführung in die Kyberentik beobachtet W. Asbby beispielsweise ein spukendes Haus. Weil ich Computer – im Vergleich zu spuckenden Häusern – als relativ einfache elekrische Geräte beobachte, stelle ich die Kybernetik anhand von solchen Mechanismen, also anhand von hergestellten Automaten dar. Der Computer wird dadurch zum exemplarischen Mechanismus, durch dessen Darstellung sichtbar wird, welche Perspektive oder Anschauung ich als Kybernetik bezeichne.
Ich wähle Maschinen und nicht die Gesellschaft oder etwa einen Pianisten als exemplarischen Gegenstand der Kybernetik, weil ich damit eine Sache referenziere, die ich überprüfbar rekonstruieren kann. Maschinen und Automaten sind in dem Sinne Technik, als sie hergestellte Gegenstände sind, die ich auch ohne Kybernetik nicht nur darstellen, sondern auch rekonstruieren und nochmals herstellen kann. Wenn ich Automaten kyberentisch beschreibe, kann ich die Beschreibung und die beschriebene Sache in ein Verhältnis setzen, in welchem ich mir die Perspektive der Beschreibung bewusst machen kann.
Dass ich im Computer ein elektrisches Gerät mit einer Funktion erkennen kann, widerspiegelt meine Kybernetik, auch wenn ich die Kybernetik dazu nicht brauche. Ich weiss, dass viele Menschen Computer ganz anders sehen, etwa als künstliche Intelligenz oder als symbolische Kalküle oder als Medien und so weiter. Indem ich im Computer Technik erkenne, beziehe ich die Kybernetik auf einen intendierten Herstellungsprozess und mithin auf eine konstruktive Tätigkeit, in welcher ich selbst Referenzobjekt meiner Kybernetik werde. Ich rekonstruiere kybernetisch, was ich beim Herstellen von Automaten mache.
Weil Kybernetik in dieser Perspektive einfache elektrische Geräte beschreibt, ist die Kybernetik auch einfach zu vereinbaren. Wenn ich dann andere Mechanismen wie spuckende Häuser beschreibe, habe ich in der Kybernetik eine technisch begründete Sprache und mithin eine Theorie. Dass Kybernetik (bislang) als Theorie keine Verbreitung finden konnte, mag daran liegen, dass sie kontraintuitiv einfache Resultate produziert. Theologie und Philosophie beruht darauf, dass die Welt unverstehbar kompliziert sei soll. Kybernetik ist dagegen Aufklärung, die als Ent-Täuschung erscheint.
Comments
Lieber Rolf,
leider erst jetzt eine verspätete Reaktion (ich hatte einfach zu viel um die Ohren!):
* Deine Charakterisierung der Kybernetik leuchtet ein. Die Fokussierung der Kybernetik auf technische Funktionsweisen ist dabei etwas, was die soziologische Systemtheorie jedenfalls nicht zu bieten hat. Und in dieser Hinsicht unterstütze ich Deinen Ansatz. Insofern bin ich auch kein Kybernetik-
Opponent!
* BUT: Ich würde diese technische Kybernetik-Perspektive soziologisch kurzschließen (im Sinne meiner dual-use-Überlegung), um Technisches als “Sowohl-Als-Auch”-Phänomen (z.B. Medium “und” technische Funktionsweise) zu beleuchten. Aber das scheint mir unproblematisch sein, denn der Vorteil ist, daß dann zwei Ansätze vorliegen: Dein Ansatz, der diese Perspektiven “trennt” und mein Ansatz, der beide komplementär aufeinanderzubeziehen sucht.
* Apropos “Tabuisierung der Technik”:
Ich denke, daß Du hier falsch liegst – gerade mit Blick auf Software-Entwickler. Das Problem Deiner kybernetischen Herangehensweise ist, daß Du mit dem Sozialen eigentlich auch alles ausschließt, was an Software-Entwicklung relevant ist (Anforderungsermittelung, Modellieren, Designen, Probleme lösen, usf.).
Anders formuliert: Du setzt im Prinzip erst mit der Exekution eines “fertigen” (!) Programms als “Prozeß” auf einem Computer an. Das ist aber für Software-Entwickler i.a. wenig interessant, weil da bereits der ganze Enwiicklungsprozeß abgeschlossen wurde.
Es wundert mich dann, daß es Dich wundert, daß Software-Entwickler diesen Quasi-Totalausschluß der Software-Entwicklung nicht interessant finden :-)
Herzlich
Peter
Lieber Peter
jetzt auch wieder verspätet, weil diese Software mir nicht anzeigt, wenn Du etwas geschriebn hast.
Aber vielleicht hat diese Software gemerkt, dass Du meine Fragen gar nicht thematisiert hast und da hat die Software vielleicht gemeint, es sei nicht so wichtig.
Aber für mich ist es schon wichtig, dass es Dich als Software-Entwickler nicht interessiert, über andere Sachen als über Software-Entwicklung zu sprechen, resp. über ganz bestimmte Sachen rein gar nichts zu sagen – sie schlicht zu tabuisieren. Es scheint mir jetzt gerade, dass das Tabu so extem stark ist, dass Du meine Fragen schlicht gar nicht wahrnehmen konntest.
Das würde mich aber nur erstaunen, wenn ich keine Erklärung dazu hätte. Ich habe aber die Erklärung: TABU.
Nicht die Technik ist Tabu, sondern der einzelne Computer, der auf meinem oder Deinem Tisch steht. Über diesen zu sprechen ist das Tabu, das sich als Mediendiskurs (im Sinne Foucaults) zeigt. Da ich den Mediendiskurs wahrnehme, staune ich nicht über das Tabu, das ihn verursacht.
Ich sehe gerade, dass ich mich auf einen anderen Beitrag von mir beziehe, verliere die Übersicht
https://kybernetiks.wordpress.com/2014/04/21/programmieren-vor-dem-hintergrund-von-kontingenz-und-kommunikation/#comment-625