Was-ist “Technik”? (Fortsetzung)

Anmerkung

DIESE Fortsetzung folgt nicht einem Plan, sondern ist das Resultat der Kommentare zu vorausgegangenen Artikeln. Das unterscheidet den Blog von einem Buch und macht den Text beliebig im Sinne von was von Kommentierenden gerade “geliebt” wird.

Was-ist “Technik” ? (Fortsetzung – zum erstem Teil)

Als Technik bezeichne ich einen generativen Prozess, der darin besteht, Operationen in Artefakten zu vergegenständlichen, so dass sie als hergestellt wiederholbare Verursachung fungieren. In einer sprachlichen Verkürzung, in welcher ich das Verwenden und vor allem das Herstellen dieser Artefakte impliziere, bezeichne ich dann (auch) diese Artefakte als Technik. (1)

In diesem systemtheoretischen Verständnis bringt die Technik Artefakte hervor. Technik bezeichnet einen autopoietischen Prozess, dessen Beobachtung eine theoretische Entscheidung ist. Systematisch dargestellt wird Technik in diesem Sinn durch die kybernetische Systemtheorie. Technik hat in dieser Theorie nichts mit Prothesen, Fähigkeiten oder Bedürfnissen von Menschen zu tun, sondern ist ein generativer Prozess, dem dann Bedürfnisse zugerechnet werden (können). Die Menschen erscheinen in dieser Theorie als das, was kybernetisch geregelte Automaten herstellt, also als toolmaking animal.

Die Theorie beginnt nicht mit Menschen, die ein Ziel oder einen Zweck verfolgen und dann Mittel dafür erfinden. N. Wiener hat die Kybernetik 1943 – nicht ganz zufällig – mit einen Aufsatz zur Teleologie eröffnet. (2) Er beschreibt darin, dass kybernetische Systeme Eigenwerte anstreben. Eine thermostatengeregelte Heizung etwa versucht die Temperatur des Thermometers auf 20 Grad zu halten. Man könnte – wenn man die Technik beseelen wollte – meinen, die Heizung verfolge damit ein (teleologisches) Ziel. Aber der technisch gesehenen Heizung ist gleichgültig, wie warm es ist. Der technische Aspekt besteht in der Konstruktion, die die Temperatur des Thermometers konstant hält.

Technik steht in diesem Sinne für die Menge der effizienten Verfahren jenseits von funktionalen Handlungszusammenhängen. Als funktionalen Handlungszusammenhang sehe ich beispielsweise, dass die thermostatengeregelte Heizung in ein Haus gestellt wird, wo die Temperatur des Thermometers als Raumtemperatur verrechnet wird. Der Hausbesitzer verfolgt damit einen Zweck, er hat ein teleologisches Ziel und verwendet die Heizung als Mittel zum Zweck.

Die “Techniker” entwickeln die Funktionsweise der Heizung. Ein Holzofen ist eine noch nicht sehr entwickellte Heizung, bei welcher der Brennstoff von Hand zugeführt werden muss und die Temperatur ebenfalls von Hand geregelt werden muss. Von der entwickelteren thermostatengeregelte Heizung profitiert der Hausbesitzer, aber das ist nicht das Ziel der Technik, sondern das Ziel der Hausbesitzer. Autopoietische Prozesse haben kein Ziel, Hausbesitzer dagegen manchmal schon.

Für den Hausbesitzer ist die thermostatengeregelte Heizung effizienter als der Holzofen, weil sie weniger Eingriffe verlangt, um ihre Funktion zu erfüllen und die Funktion überdies besser erfüllt. Technisch ist sie effizienter, weil mehr Operationen artefaktisch verkörpert sind. Technisch ist Effizienz auf den Eigenwert des kybernetischen Systems bezogen. Der Holzofen macht in dem Sinne vieles nicht “selbst”, von dem, was er voraussetzt. Im Ausdruck Automat ist dieses “Selbstmachen” gemeint, aber natürlich nicht, dass der Ofen etwas im Sinne einer zielgerichteten Handlung macht oder gar ein Selbst hätte.

Technik begreife ich durch die Kybernetik rückblickend. Der Automat zeigt mir, was eine Maschine noch nicht ist, und die Maschine zeigt mir, was ein Werkzeug noch nicht ist. Das ist das evolutionstheoretische Moment der Kybernetik. Als entwickelste Technik erscheint beispielsweise ein Computer mit einem programmierbaren Prozessor, wie er in jeder modernen Heizung enthalten ist. Das ist genau das, was die Kybernetik beschreibt. Bei noch primitven Artefakten wie etwa eigentlichen Werkzeugen ist die in der Technik gemeinte Operation nicht explizit entwickelt. Ein Hammer etwa hat keine Funktionsweise, er zeigt kein Verhalten und mithin keine Operationen. Aber wenn der Hammer verwendet wird, ist technisch ein Roboter erkennbar, der den Hammer in ein operierendes System einbindet.

Fussnoten

1) die Wikipedia, die logischerweise das alles anders sieht, teilt aber diese drei Aspekte: „die Menge der Sachsysteme als Artefakte“, „die Menge menschlicher Handlungen, in denen Sachsysteme entstehen”, und “„die Menge menschlicher Handlungen, in denen Sachsysteme verwendet werden.“

2) Julian Bigelow, Arturo Rosenblueth, Wiener, Norbert: Behavior, Purpose and Teleology. Philosophy of Science 10 (1943) 1, 18-24

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Comments

  • PB  On June 15, 2012 at 12:24 PM

    1) Wenn ich Dich recht verstehe, dann wäre Technik ein “System”, das “orthogonal” zu sozialen Systemen (bspw. als soziales Handeln / Kommunikation konzipiert) stünde und sich auf nicht explizit soziale Handlungen (als: Herstellen von xy) bezöge? Also: ein “nicht-soziales (Handlungs-)System”?

    2) Unklar bleibt freilich das “Materielle” im “material turn”. Der Verweis auf bloße “Gegenständlichkeit” oder die Unterscheidung “materiell / geistig” kommen m.E. über altbekannte Traditionen nicht hinaus.

    3) Der Verweis auf “Gegenständlichkeit” schließt auch (non-)verbale Zeichenproduktionen aus, die aber sehr wohl als “Artefakte” gelten können (sie können ja dann auch gefilmt, vertont, etc. werden), nämlich als sinnlich-(semiotisch) Wahrnehmbares, dem ein artifizieller (= nicht-natürlicher) Charakter zugesprochen werden kann gegenüber sonstigen Naturgeräuschen (Rauschen des Winds, plätscherndem Regen, vielen Tierlauten).
    Das wäre dann ein Hinweis, daß von hier aus “Materielles” vielleicht rekonzeptualisiert werden sollte, ohne es einfach auf traditionell Gegenständliches (hergestellt / nicht hergestellt) zu reduzieren. Ich denke, darüber muß in Zukunft noch sehr viel ausführlicher diskutiert werden!

    4) Bei der professionellen Software-Entwicklung fallen zudem die ganze Medienformen-Zeichen- und die soziale Anschlußproblematik komplett unter den Tisch, obgleich diese recht genau die Aktivitäten von Analysten, Entwicklern, Modellierern, Testern und anderen Projekt-Stakeholder beschreiben können.
    Du würdest Dich primär auf den Teilaspekt fokussieren, daß Software zum Compilieren, Testen, u.ä. maschinell exekutiert wird.
    Aber vielleicht ist es sinnvoll, hier beide Perspektiven kurzzuschließen (im Sinne einer früher angesprochenen “dual-use”-Perspektive): soziale Anschlüsse, bei denen Medienformen prozessiert werden, und direkt materiell-technische (sozial konditionierte) Handlungsausführungen?

    5) Anschlußlogik
    Wie ist eigentlich eine “geschlossene Autopoiesis” von nicht-sozialen Handlungen zu konzipieren? Und wie werden “materielle” Artefakte dabei prozessiert?
    Für mich liegt es nahe, die Geschlossenheit eines technischen Systems mit Blick auf Kommunikationen zu konzipieren, bei denen analysiert, konstruiert, modelliert, etc. wird und entsprechende Mediumformkomplexe prozessiert werden.
    * oral: Gespräche unter Entwicklern und mit anderen Projektstakeholdern,
    * schriftlich-visuell: requirements-Dokumente, Business Process-, UML- und andere Modelle, Umsetzungen in Code, u.ä.
    * Software-Prototypen
    etc.
    Handlungen können dabei direkt sozial (Bspl.: Übergabe eines Bauteils von ego an alter) oder indirekt sozial (d.h. “sozial konditioniert”) sein (Bspl.e: Zusammenbau des Bauteils, Einschalten des Rechners, etc.), wobei die Artefakte (Tools, Maschinen, etc.) mitlaufen.

    Wie sieht`s aber mit der Autopoiesis von “nicht-sozialen” Handlungen aus, die materielle Artefakte prozessieren (benutzen / herstellen) – und zwar so, daß Soziales / Kommunikation nicht zum Zuge kommt.
    Zwei Fragen wären in diesem Zusammenhang zu klären:
    F1: Wie sieht Deine Konzeptualisierung des Sozialen im radikalkonstruktivistischen Sinne aus? (Und macht hierbei die Bielefelder System-Differenzierung von “Interaktion – Orga – Fsy” überhaupt Sinn?)
    F2: Wie ist das Verhältnis von Deiner Sozialkonzeption zu Deinem nicht-sozialen Technik-System?

    Im Moment scheint es mir so zu sein, als könntest Du beide Fragen nicht wirklich beantworten, sondern switchst zwischen Radikalem Konstr., Kybernetik und Marxismus hin und her, was die Frage nach den etwaigen “Konsistenzproblemen” Deiner Position aufwirft (z.B. die versuchte Anwendung von Funktionssystem-Logik auf nicht-soziale Technik-Phänomene).

  • kybernetiks  On June 15, 2012 at 2:18 PM

    Peter, Du zeigst eine interessante Leseweise zu meinem Text. Mein Text hat nichts zu tun mit dem Luhmann-System, das ein Kommunikationssystem ist UND Kommunikation auf Verstehen von Mitteilungen bezieht. Solange Du das “Soziale” mit luhmanniger Kommunikation gleichsetzt, wird Dir das Lesen meines Textes die von Dir erwähnten Probleme machen (die ich aber alle nicht als meine robleme erkenne).

    Autopoiese ist ein Begriff, den H. Maturana in die Kybernetik eingeführt hat. Bei Luhmann heisst Autopoiese etwas anderes als bei H. Maturana, weil letzter von Lebewesen gesprochen hat, nicht von Kommunikationen.

    Ich wäre froh und dankbar, wenn Du mir meine Inkonsistenzen zu mir selbst (oder allenfalls zur Kybernetik) zeigen würdest. Mit Luhmann suche ich keinerlei Konsistenz.

    Technik würde ich vorderhand nicht als als “Luhmann-System” à la Recht oder Wissenschaft, wo sprachlich kommuiziert wird, sehen. Technik kommuniziert Artefakte, nicht Mitteilungen.

    Und dann dazu wie ich meinen Text bezüglich Handlungen “lese”: Die Technik bringt Artefakte hervor. Wenn jemand will, kann er diesen Prozess als Handlung eines Technikers sehen. So wie die Kommunikationen von Luhmann als Sprechhandlungen gesehen werden können – wenn man will. Indem man Handlungen einführt, macht man eine andere Perspektive auf.

    Die Artefakte (die hier gemeint sind!!!) sind ausnahmslos MATERIELLE Gegenstände – wie etwa dieser Text. Mir ist bewusst, dass die Materialität der Zeichenkörper im blinden Fleck von viele Semiotikern liegt. Das sind theoretische Entscheidungen. Hier spreche ich ohne Inkonsistenz innerhalb dieser Theorie, aber jenseits der Kybernetik verlieren die Worte den Sinn, den sie in der Kybernetik haben (einfach um es nochmals deutlich hervorzuheben: N Wiener hat getitelt KOMMUNIKATION IN MASCHINE UND TIER. Es kann also nichtohne weiteres um eine Kommunikation gehen, in der Mitteilungen verstanden werden. Es geht eher um Kommunikation, die C. Shannon mathematisiert hat.

    Vielleicht ist Technik eine Gegenwelt zur Luhmannsystemen – vielleicht meinst Du das mit “orthagonal”?

    • PB  On June 15, 2012 at 4:15 PM

      1) Meine Überlegung ist wie folgt [nachdem mir langsam klarer wird, worauf Du hinaus willst – ohne daß ich alles nachvollziehen kann. Aber: Kommt Zeit, kommt Einsicht :-)]: ich könnte mir eine Art “orthogonale Komplementarität” von Kybernetik und Bielefelder Systemtheorie vorstellen [das ist aber nur ein nice try, also nichts komplett Durchgespieltes]:
      * Erstere studiert das technische Wie-Herstellen und Wie-Benutzen von Etwas
      * Letztere fokussiert sich auf soziale Kommunikation [oder die Bewußtsein/Kommunikation-Unterscheidung, egal wie das nun en détail konzipiert werden mag] beim simultanen Prozessieren entsprechender Formkomplexe.
      > Vielleicht ist Technik eine Gegenwelt zur Luhmannsystemen – vielleicht
      > meinst Du das mit “orthagonal”?
      * Ja, das war Option 1: Eine technische Dimension stünde quasi “orthogonal” zu einer sozialen Dimension ->
      – technische Dimension = bezogen auf nicht-soziale Handlungszusammenhänge (Herstellen / Benutzen von xy)
      – soziale Dimension = bezogen auf Kommunizieren und entspr. Verhalten / Handeln
      Freilich würde ich das Technische als “sozial konditioniert” ansehen, d.h. hier käme z.B. massiv sozial zirkulierendes Wissen (Mathematik, Informatik, Maschinenbau, etc. etc.) und auch (handwerklicheres) know-how-to-do/use things zum Tragen.
      * Option 2: Konzeptualisierung von technischen Kommunikationen (das spiele ich demnächst detailliert `mal an Software-Entwicklung durch: von der requirements analysis / business process analysis bis hin zur Produkterstellung) mit dem Prozessieren entspr. Formkomplexe (Texte, Zeichnungen, Modelle, source code / test code, etc.). Hier müßte dann auch die kybernetische Erklärungsweise und der Bezug zu einem sozialen Funktionssystem “Technik” eingebaut werden können.
      * Option 3: die Konzeptualisierung von Technik als “Formenkomplex” im Medium der Kausalität.
      * Option 4: Technik als basale technicité

      Option 1 wäre Technik als systemisch-handlungsorientiert, aber nicht (direkt) sozial
      Option 2: wäre Technik als “technisch” orientierte (soziale) Kommunikation
      (Analysieren, Konstruieren, Modellieren, etc. von etwas, das soziale Anschlüsse zeitigt).
      Option 3: Technik als Äquivalent zu sonstigen Medium-Form-Komplexen (systemübergreifend-frei zirkulierend)
      Option 4: Technische Aspekte / Momente im differentiellen Prozessieren (différance, itérabilité, etc.).

      2) “Mit Luhmann suche ich keinerlei Konsistenz.”
      OK, aber dann ist wohl auch ein (soziales) Funktionssystem “Technik” für Deinen Ansatz passé, oder? [Und wie steht`s damit? https://kybernetiks.wordpress.com/2012/02/07/informatik-informations-technik-als-soziales-system/]
      > Es kann also nichtohne weiteres um eine Kommunikation gehen, in der
      > Mitteilungen verstanden werden. Es geht eher um Kommunikation, die C.
      > Shannon mathematisiert hat.
      Bei dem Ausdruck, Technik “kommuniziere” Artefakte, hilft Dir eine Datenübertragung à la Shannon nicht weiter, oder?
      [Letztere hilft m.E. auch nicht bei der Konzeptualisierung des Sozialen, but that`s another story]
      Nun, Du könntest vielleicht allgemeiner schreiben: Technik “prozessiert” Artefakte.
      Nur: Was heißt hier Prozessieren “genau”? Und wie kann das als Autopoiesis “funktionieren”, wenn das nicht als Handlungs- / Kommunikationszusammenhang konzeptualisiert werden sollte? Also: Was kann eine “technische Operation” mit Blick auf welche Autopoiesis besagen, wenn sie weder Handlung noch Kommunikation sein sollte?

      4) > Die Artefakte (die hier gemeint sind!!!) sind ausnahmslos MATERIELLE Gegenstände
      Du arbeitest meiner Ansicht nach mit einer Tautologie:
      Materielle Gegenstände = Materielles = Hergestelltes = künstliches Gemachtes = Artefaktisches = Artefakt = artefaktische Gegenstände. In short: ein Artefakt ist etwas Materielles und Materielles ist ein Artefakt. Oder noch kürzer: (künstliches) Ding = (künstliches) Ding oder Materielles = Materielles oder Artefakt = Artefakt :-)
      Da das bei Dir aber auf sinnlich wahrnehmbares, haptisches, etc. Ding hinausläuft, ist Dein Begriff des “Materiellen” – einfach nur “traditionell”. Was sonst?
      Zugleich kann man Artefaktisches auch medial konzipieren. Zum Beispiel wie folgt:
      Verbales [im Medium der Laute, die wiederum als Formen im Medium der Schallwellen beobachtbar sind] = artikulatorisch Hergestelltes = künstlich Produziertes (im Unterschied zu natürlichen Geräuschen / Lärm / sonstigen Lauten) = Artefaktisches = Artefakte
      Dito für alle möglichen anderen Formen-Komplexe: Schrift, Audio-Video, etc., die sich im Vergleich zum Oralen u.a. im Fixierungsgrad unterscheiden.
      Die Frage bleibt für mich daher: Wie können wir einen Begriff des “Materiellen” mit dem Medium-Begriff ergänzen, ohne in obige Tautologie oder in ein traditionelles bzw. alltagsorientiertes Verständnis von “Ding” / “Materiellem” (als sinnlich wahrnehmbarem, haptischem, etc. “Gegenstand”) zurückzufallen?

      Nice WE
      ~Peter

      • kybernetiks  On June 15, 2012 at 5:19 PM

        zu 1) sage ich jetzt noch nichts ausser: ok das sind Arbeitsprogramme !

        zu 2) meinen Text zu Informatik als soziales System habe ich der Luhmannliste vor ein paar Jahren vorgelegt. Man hat mir bekundet, dass es mit Luhmann nichts zu tun hat. Das ist für mich aber kein Problem. Ich finde meinen Text gut. Und ich bin dabei, diesen Text hier zu verallgemeinern.

        zu 3) (= Shannon-Kommunikation) NEIN, NEIN, NEIN es geht NICHT um Datenübertragung, bei der es etwas zu verstehen gäbe. Es geht um TECHNISCHE Prozesse der Regelung = Kybernetik.
        Dein Wort “prozessieren” verstehe ich im Kontext nicht. Das Hervorbringen von Artefakten heisst dass Artefakte auf die Welt kommen. Eines Tages gibt es einen Hammer und etwas später gibt es ein Velo und dann einen Computer. Es sind Artefakte genau in dem Sinne als sie einer autopoietischen Entwicklung entstammen, die ich von der Hervorbringung der Natur unterscheide.
        Ich beobachte also ein bestimmtes Hervorbringen.

        4) Sage mir doch bitte eine einzige Textstelle in der Weltliteratur, wo Material so bestimmt wird, wie ich es mache. Ich verstehe nicht, inwiefern eine Bestimmung “traditionell” sein kann, wenn sie zum ersten Mal erscheint. Die Artefakte, die ich meine kann ich GANZ GENAU in dem Sinne herstellen, als ich Material forme, so dass das Material die Form behält.
        Wenn Du das Wort Artefakt für etwas anderes verwendest, dann müssen wir einfach darauf achten. Wir können uns nicht darüber streiten, was Artefakte SIND. Wir können nur sagen, wie wir das Wort verwenden.
        Das Materielle, das ich meine (und beschreibe) braucht keine Mediumsergänzung und ist weder physikalisch noch wahrnehmungstheoretisch bestimmt, sondern durch die nachhaltige Formgebung des Herstellens.
        Es geht nicht um Dein “Ding”, womit Du auch Steine oder Bäume bezeichnest, weil Du sie haptisch wahrnehmen kannst.

        5) Das Soziale besteht darin, dass alle Hersteller sich durch die Herstellung (nicht durch das sprechen dabei oder darüber) auf einander beziehen. Das Soziale ist HIER nicht das reden, sondern das herstellen (toolmaking animal). Die technische Entwicklung ist ein eigenständiges System, dass die gesprochene Sprache nicht braucht. Das System reagiert auf die vorhandenen Artefakt damit, dass es weitere Artefakte entwickelt, die an die bestehenden Artefakte anschliessen

        • PB  On June 15, 2012 at 6:19 PM

          1) > Es sind Artefakte genau in dem Sinne als sie einer autopoietischen
          > Entwicklung entstammen, die ich von der Hervorbringung der Natur
          > unterscheide.
          Herstellen als “autopoietischer Sozial-Prozeß”, s.u.?

          2) Wenn “Artefakt” = geformtes Material, warum sollte dann Verbales als Artikulation von Sätzen nicht dazu gehören? Das scheint mir eine willkürliche Grenzziehung Deinerseits zu sein.
          > Sage mir doch bitte eine einzige Textstelle in der Weltliteratur, wo Material so
          > bestimmt wird, wie ich es mache.
          Hm, Du überschätzt meine Belesenheit. “Weltliteratur” ist doch ein sehr großes Wort :-)

          3) “Das Soziale besteht darin, dass alle Hersteller sich durch die Herstellung (nicht durch das sprechen dabei oder darüber) auf einander beziehen. Das Soziale ist HIER nicht das reden, sondern das herstellen (toolmaking animal).”
          Nun, “Soziales = Kommunikation” ist in der Bielefelder Schule auch nicht einfach “reden” (auch nicht nur “schreiben”, u.ä.). Das umfaßt Non-Verbales und auch den Umgang mit nicht-sprachlichen Medienformen wie Geld.

          Was soll “herstellen” als konstruieren, modellieren, implementieren / realisieren, (zusammen)bauen, etc. anderes sein als “Handlungsvarianten”? Und diese Handlungsvarianten sind m.E. nicht ohne Bezug auf “Soziales / Kommunikation” möglich.
          Beispiel: Jeder Informatiker weiß heute (zumindest wird einem das noch und noch “eingehämmert”), daß sich Software gerade und v.a. auch auf Soziales und nicht einfach auf die Exekution durch Computer bezieht. Daher die nachhaltige Betonung von: Erweiterbarkeit, reuse, Änderbarkeit, Lesbarkeit und Verständlichkeit von (source und test) code.
          Oder um ein berühmtes Zitat von Martin Fowler anzuführen:
          ” Any fool can write code that a computer can understand. Good programmers write code that humans can understand.” Und warum ist Letzteres zentral? Weil es auf die sozialen Anschlüsse ankommt (von der Analyse über das Design zur Implementierung / Testen … bis hin zur Wartung). Und bei professioneller Softwareentwicklung überwiegen die Wartungsarbeiten (Erweiterung / Pflege von Code, etc.).

          Kurzum: Herstellen von Artefakten “ohne Soziales” (hier sensu: Kommunikation, Wissen, reflexive Prüfungen, etc.) ist nicht vorstellbar. Denn jede anspruchsvollere handwerkliche oder ingenieurstechnische Tätigkeit ist sowohl wissens-/knowhow-basiert als auch sozial orientiert (Wissenserarbeitung, Teamwork, Arbeitsteilung mit Spezialisierungen / Differenzierungen, u.ä.).
          Demzufolge müßten diese “Herstellungsvarianten” auch als “sozial konditioniertes Handeln” letztlich auf Kommunikation im I-M-V-Sinne bezogen werden können [Das gilt übrigens auch für die Bedienung von Artefakten, z.B. als technische Geräte -> genau deswegen existieren ja Unmengen von Tutorials, Benutzer-Handbüchern, etc.!].

          Es bezögen sich also auch nicht die “Artefakte selbst” direkt aufeinander (selbst wenn man eine Tür in einen Türrahmen einbauen kann, die beide zu einer Wohnung gehören, die sich in einem Haus befindet, das in einer Straße steht, die sich wiederum in einer Stadt befindet, etc.), sondern die kommunikativ prozessierbaren Medium-Form-Komplexe, die diese Artefakte (in der Analyse, Modellierung, Implementierung, im Testen, etc.) referenzieren.
          Man muß diese Artefakten dann übrigens “nicht” faktisch realisieren – ggf. reichen einfach die
          Specs, Konstruktionszeichnungen, Baupläne, etc.

          These: es beziehen sich sozial (!) nicht Hammer-Modelle aufeinander oder Hämmer auf Nägel oder Türen auf Türrahmen, sondern textuelle, visuelle … Konstruktionsanweisungen, Baupläne, technische Specs, etc. beziehen sich im Prozessieren technischer Kommunikation aufeinander.

  • PB  On June 15, 2012 at 8:38 PM

    Nachtrag 1 zur Aussage:
    > Wenn “Artefakt” = geformtes Material, warum sollte dann Verbales als
    > Artikulation von Sätzen nicht dazu gehören? Das scheint mir eine willkürliche
    > Grenzziehung Deinerseits zu sein
    Noch ein Beispiel dazu, das die Probleme verdeutlicht, die Du Dir mit Deiner Artefakt-Definition einhandelst:
    * Eine Diskussion bspw. unter Entwicklern über ein zu implementierendes Feature (wie, warum, wann, etc.) würde bei Dir “nicht” zum “Herstellen” gehören, weil kein Artefakt anfällt.
    * Wenn die Entwickler bzgl. des selben Features aber eine Zeichnung anfertigen oder ein code snippet schreiben, dann wären das Artefakte, die sich auf den Prozeß des Herstellens beziehen.
    Kurzum: Ein Codefragment im Gespräch zu skizzieren ist kein Artefakt, es hinzuschreiben ist dagegen ein Artefakt? Doesn´t make sense to me, zumal die Merkmale “Künstlichkeit” und “Formung / Herstellung” gerade auch auf die orale Sprachproduktion zutreffen. Oder um es anders zu formulieren: Die “Formung von (Sprach-)Material” bringt generell “(Sprach-)Artefakte” hervor (oral, skriptural, etc.).
    Unterschiedliche Medienarten (oral, skriptual, printbasiert, visuell, usf.) können demnach für technische Kommunikationen genutzt werden, die dann zum Analyse-, Entwurfs-, Konstruktions-, Test-, etc. Prozeß gehören.

    Das ändert freilich nichts an Deinem Tautologieproblem, denn: künstlich geformtes Material im Unterschied zu “natürlichen” Formungsprozessen, bspw. der Formung von Gestein durch Wind und Wetter, = künstlich Hergestelltes / Gemachtes = Artefakt ->
    Artefakt = (geformtes Material = Materielles) = Artefakt -> materiell = materiell.
    Das bleibt dann zutiefst traditionell durch den Rekurs auf die alte Unterscheidung “natürlich – künstlich (kulturell)” und / oder die Engführung des Materiellen = Artefaktischen (dieser Tautologie!) auf Sinnlich-Haptisches, so daß erst aufgrund dieser Engführung orales Sprachmaterial (verbale Artefakte), das sich dem Haptischen entzieht, aus dem Bereich des Artefaktischen “ausgeschlossen” werden kann (eine analoge Überlegung gilt für nonverbale Zeichen, wobei hier die Abgrenzung zum Haptischen schon gar nicht mehr so einfach ist!).
    Die zentrale Frage ist daher: Was bleibt von Deinem Materialitätsbegriff übrig, wenn er im Traditionellen und / oder Tautologischen stecken bleibt?

    Nachtrag 2: Noch eine These, die mir gerade kam. Alles kann auf eine Art “soziale Dressur” (bzw. eine spezifische Art der “Irritation”) bezogen werden:
    * Umgehen mit Zeichen (bspw. Spracherwerb)
    * Körperbewegung: Welche Mimik, Gestik, Hexis habe ich? Wie kommuniziere ich nonverbal? Welche Bewegungen mache in Sportart xy? etc.
    * Wie benutze ich technische Artefakte (die Toilette, die Dusche, eine Uhr, den PC, etc.)?
    * Wie stelle ich “technische Artefakte her? These: Im Rahmen von mündlichen / textuellen / visuellen, etc. Kommunikationen wird einem idR beigebracht, wie man richtig analysiert, modelliert, entwirft, konstruiert, programmiert, testet, usf. Und auch wie man sich bspw. handwerklich betätigt. Also: Welche Pinsel werden wie mit welcher Technik benutzt? Welches Gerät ist wie, bspw. in welcher Reihenfolge, einzuschalten und zu benutzen? etc.

    Provisorisches Fazit: Herstellen ohne jeglichen Bezug zu Kommunikation ist schwer nachzuvollziehen:
    * Mitunter wird man vor dem Herstellungsprozeß im Rahmen von Kommunikationszusammenhängen sozial “dressiert” [Unterricht, Lektüre, u.ä.].
    * Oft stimmt man sich kommunikativ während des Herstellungs- und Bedienungsprozesses noch ab, bspw. in Form von Meister-Gesellen-Gesprächen.
    * Schließlich bekommt man ggf. am Ende noch Feedback, z.B. von user-Seite bzgl. der usability von Artefakt abc, im Rahmen von (technischer) Kommunikation.
    Bei einer evolutionären Produktentwicklung können obige Steps auch rekurrent ablaufen.

    Fragen:
    * Was bleibt dann von Technik als generativem Prozeßgeschehen übrig? Ein Handlungssystem, das enggeführt wird auf “Herstellungshandeln” im Hinblick auf spezifische, nämlich: sinnlich-haptische Artefakte?
    * Nur wie sieht es mit der “Grenzziehung” dieses Systems aus (sonst sollte wohl
    “gar nicht” von einem autopoietischen System gesprochen werden – und selbst dann stellt sich die Frage, was in diesem Kontext unter “Autopoiesis” im Sinne von Varela / Maturana zu verstehen ist!)?
    Wenn Orales und Nonverbales auch als Artefakte angesehen werden können (sie können es, wenn keine arbiträre Eingrenzung auf Sinnlich-Haptisches erfolgt, s.o.), dann gehen Mitteilungs- und Herstellungshandeln beim Oralen / Non-Verbalen fast in einander über -> Grenzziehung adé!
    * Zudem wäre bei technischen Artefakten (im engeren, i.e. sinnlich-haptischen Sinne) auch die Frage nach dem Bedienen von Tools / Maschinen / Automaten zu stellen: Soll das dann auch eine eigene soziale Dimension des Handelns sein?
    * Und wie unterscheidet sich solches Bedienungshandeln aber von sonstigem “Bewegungshandeln”,z.B. im Sport bei der Benutzung von Spielgeräten?
    Haben wir dann: Mitteilungshandeln, Bedienungshandeln, Bewegungshandeln und Herstellungshandeln, die alle eine eigene Art des Sozialen bilden sollen??

    Ich meine rein definitorische” Setzungen helfen hier “nicht weiter”, quasi: ich definiere das so, dann ist das auch so. Was nur heißt: “Es ist so, wie es ist – im Humpty-Dumpty-Sinne” [siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Humpty_Dumpty]:

    […] Da hast du Ruhm!“
    „Ich weiß nicht, was du mit ‚Ruhm‘ meinst“, sagte Alice.
    Humpty Dumpty lächelte verächtlich. „Natürlich nicht – bis ich es dir sage. Ich meinte: Da hast du ein schönes zwingendes Argument!“
    „Aber ‚Ruhm‘ heißt doch nicht ‚schönes zwingendes Argument‘“, entgegnete Alice.
    „Wenn ich ein Wort verwende“, erwiderte Humpty Dumpty ziemlich geringschätzig, „dann bedeutet es genau, was ich es bedeuten lasse, und nichts anderes.“
    „Die Frage ist doch“, sagte Alice, „ob du den Worten einfach so viele verschiedene Bedeutungen geben kannst“.
    „Die Frage ist“, sagte Humpty Dumpty, „wer die Macht hat – und das ist alles. […]“

    .
    Tja, nur daß die Frage von Kommunikationsangebot (als: Bedeutung von xy) und Kommunikationsannahme nicht zwangsläufig etwas mit “Macht” zu tun hat, sondern ein sehr viel “generelles” Problem darstellt, für das “Macht” eine Sonderfall-Lösung darstellt…
    Das nur als Hinweis, daß die exklusive Orientierung am eigenen Formulierungsgebrauch und definitorische Setzungen alleine weder vor Inkonsistenzen noch vor Idiosynkrasien schützen können. Demzufolge reichen beide auch nicht für wissenschaftliche / wissenschaftsaffine (Theorie-)Arbeit aus (auch alle möglichen “Wahnsysteme” können nämlich so operieren)!

    Ganz abgesehen davon, daß durch reflexive Beobachtung eigener Formulierungen die Differenzorientierung mit Blick auf Dekonstruktionen und textuelle Mikroanalysen bzgl. Latenzen, blind spots, u.ä. überhaupt nicht ausgeschöpft wird. Ersteres konnte eigentlich schon immer gemacht werden – man braucht keine Differenzorientierung dazu!

  • kybernetiks  On June 16, 2012 at 2:46 PM

    Peter ich bin nicht sicher, ob Du meinst, wir müssten die Wörter gleich verwenden. Ich gehe von Privatsprachen aus, weil ich einfach niemanden kenne, der die Wörter gleich verwendet wie ich. Du kannst das als Humpidumpi bezeichen, wenn Du der Sache einen Namen geben willst.

    Ich kann also nochmals sagen, wie ich das Wort “Artefakt” eigentlich verwende. Dabei ist mir bewusst, dass ich Ausnahmen und Anwendungsfehler mache, aber dies genau relativ zur Definition in Form von notwendigen Bedingungen.

    Die Artefakte, die ich meine, kann ich GANZ GENAU in dem Sinne herstellen, als ich Material forme, so dass das Material die Form behält.

    >warum sollte dann Verbales als Artikulation von Sätzen …

    Wenn ich spreche, erzeuge ich Schallwellen, die ihre Form nicht behalten, sondern flüchtig sind. Genau deshalb schreibe ich, wenn ich es nachhaltig sagen will. Und wenn ich schreibe, stelle ich keine Sätze her, sondern beispielsweise eine Graphitstruktur, die ihre Form behält und aus dem Material “Graphit” besteht.

    Und wenn Du die Weltliteratur nicht kennst, genügt es, wenn Du einen einzigen Text zitierst, in welchen Material so bestimmt wird, dass es das ist was beim Herstellen geformt wird.

    Und wir können noch etwas luhmännern:

    Du schreibst:
    > Herstellen als “autopoietischer Sozial-Prozeß”, s.u.?
    …… ich weiss nicht, woher Du das hast
    Ich schreibe:
    Technik bezeichnet einen autopoietischen Prozess

    Kommunikation bringt Gesprochenes und Geschriebenes hervor
    Technik bringt Artefakte hervor

    Der Gesprochene und Geschriebene sind Produkte des Sprechens und Schreibens
    Artefakte sind Produkte der Herstellung.

    Und wenn Du willst kannst Du das Sprechen und das Herstellen als Handlungen sehen

    Die Autopoiese beschreibt keine Handlungen sonder die Hervorbringung. Der Witz ist dass kein Handelnder beobachtet wird, sondern das was auf die Welt kommt unabhängig davon ob es einfach wächst wie Bäume oder ob es hergestellt wird wie Tische

    Und das mag traditionell sein: ich unterscheide Hervorbringungen der Natur von Hervorbringungen der Kultur. Und wenn Du meinst, dass das traditionell sei, was spricht dagegen? Es ist einfach eine Unterscheidung.Problematisch wäre sie für mich nur dann, wenn Du das nicht auch unterscheiden könntest.

    • stromgeist  On June 16, 2012 at 5:01 PM

      Die Autopoiese beschreibt keine Handlungen sonder die Hervorbringung. Der Witz ist dass kein Handelnder beobachtet wird, sondern das was auf die Welt kommt unabhängig davon ob es einfach wächst wie Bäume oder ob es hergestellt wird wie Tische

      Und das mag traditionell sein: ich unterscheide Hervorbringungen der Natur von Hervorbringungen der Kultur. Und wenn Du meinst, dass das traditionell sei, was spricht dagegen?

      Damit scheint mir Deine Techniktheorie sehr aristotelisch zu sein. Vielleicht solltest Du also mal seine Physik lesen. Dann klärt/deckt sich sicher auch vieles mit Deinem Form/Materie Begriff, die bei ihm hyle und morphe Oder eben auch der Unterschied zu ihnen, bzw. was das spezifisch neue Kybernetische daran wäre.

      Zu Aristoteles nur ganz kurz:

      Gegenstände der Natur (physis) sind alle Dinge, die „in sich selbst einen Anfang von Veränderung und Bestand“ (192 b) haben. Artefakte sind Dinge, die mittels Kunst (téchnē) erschaffen wurden und keinen „Anfang in sich selbst“ haben. Doch das, was durch Technik geschaffen wird, ist entweder Nachahmung oder Vollendung der Natur. Das was Technik an Artefakten hervorbringt ist nur das, was die Natur nur noch nicht von selbst hervorgebracht hat, was sie aber in genau der selben Weise hervorbrächte, wenn sie es täte. Häuser bauen ist also nicht anderes als das hervorzubringen, was die Natur machen würde, wenn sie Häuser wachsen ließe.

      Da Aristoteles also einen teleologischen Natur- und Technikbegriff hat, und Du aber einen nicht-teleologischen vorschlägst, wie würdest Du umgekehrt den Selbstorganisationsprozess der Natur von dem der Technik unterscheiden, außer durch den Umstand, dass Technik von Menschen geschaffen wurde, wobei mit noch nich klar wäre, warum ein Bienenstock nicht auch ein kybernetisches Artefakt sein sollte.

    • PB  On June 16, 2012 at 8:28 PM

      1) > Ich gehe von Privatsprachen aus, weil ich einfach niemanden kenne,
      > der die Wörter gleich verwendet wie ich. Du kannst das als Humpidumpi
      > bezeichen, wenn Du der Sache einen Namen geben willst.
      Wenn es nur Privatsprachengebrauch gäbe, würde soziale Kommunikation wohl kollabieren. Wobei zudem die Frage ist, ob nicht das Privatsprachenargument von Wittgenstein II auf Dich zutrifft. Das heißt letztlich: Jeder von uns folgt in seinem Sprachgebrauch weitgehend öffentlich zirkulierenden Regeln / Erwartungen (so ist bereits Dein Satzbau an der deutschen Grammatik ausgerichtet), aber es ist nicht einfach alles “privat”.
      Noch ein Beispiel: Dein diskreditierender Gebrauch des Ideologiekonzepts in einem Deiner letzten Posts war komplett traditionell im Sinne von “Wahnvorstellung” und anderen Formen des “Verkennens”: nichts Privates, nichts Originelles – und die Benutzung des Ausdrucks “Ideologie” erfolgte wohl ohne große Kenntnis der Tradition der Ideologie- und Latenzkritik. Letzteres ist kein Vorwurf (diese Tradition kann man, muß man aber nicht kennen). Freilich von einem privaten Ausdrucks- / Begriffsgebrauch kann ich in diesem Fall bei Dir rein gar nichts erkennen [und ich bezweifle, daß das ein Einzelfall ist].
      Abgesehen davon, daß die Bedeutungen in Anschlüssen ausgehandelt werden. Du kannst sie nicht als privates Meinen vorab fixieren. Das läßt sich wohl als Gemeinsamkeit von Ansätzen wie bspw. Dekonstruktion, Wittgensteins Sprachspieltheorie und Systemtheorie sagen.
      Das heißt nicht, daß keine Idiosynkrasien möglich sind, aber diese sollten nicht zum Regelfall werden, weil sonst die Kommunikation einfach unwahrscheinlich wird (wg. zu massiver Verständnisirritationen -> siehe das Humpty-Dumpty-Beispiel mit “Ruhm” und “zwingendem Argument”).

      2) > Die Artefakte, die ich meine, kann ich GANZ GENAU in dem Sinne
      > herstellen, als ich Material forme, so dass das Material die Form behält.
      Du meinst “Persistenz vs. Flüchtigkeit”? Aber warum sollte das nicht einfach ein “unwesentliches” Merkmal von Artefakt-Prozessen sein, zumal hier wohl unterschiedliche Grade von Persistenz und Flüchtigkeit unterschieden werden können (bspw. die unterschiedliche Haltbarkeitsdauer von CDs, DVDs, Papier, Pergament, Stein, Holz, etc. als Substrata für Schrift- und / oder Bildzeichen)?

      3) > in welchen Material so bestimmt wird, dass es das ist was beim Herstellen
      > geformt wird.
      Es ging mir um das “Konzept des Materiellen”, das auf “Artefakt” bezogen wird. Und beides besagt bei Dir nur: “geformtes Material”, insofern “Artefakt” aber einfach die lateinische Bezeichnung für “künstlich Gemachtes” ist, kann ich nichts als eine (inhaltsleere) Tautologie erkennen, die invisibilisiert werden muß durch Verweis auf konkret Sinnlich-Haptisches (siehe Deine gerne angeführte “Graphitstruktur”).
      Und das besagt: Materielles wird zumeist wohl einfach als Sinnlich-Haptisches dargestellt. Das entspricht der Kopplung von “Rhetorik + Tradition”, sensu:
      * Rhetorik als tautologisches Sprachspiel [Artefakt = künstlich Gemachtes = geformtes Material = materiell = Artefakt], bei dem ich keinen Erkenntniswert bzgl. einer Bestimmung des Materiellen ausmachen kann (außer: die dt. Übersetzung des lateinischen Ausdrucks “arte factum”)
      * Tradition als Rekurs auf “Gegenständliches” (auch im Alltagsverständnis) zwecks Enttautologisierung.
      Zumal hierbei auch Dein “Formungsbegriff” unterbestimmt bleibt.

      3) Das ist die Crux Deiner “Rhetorik / Eloquenz”-Orientierung (und damit gehörst Du weitaus mehr zu den “soft sciences” als bspw. zur eher rhetorikaversiven Informatik):
      Du scheinst wirklich zu glauben, daß wenn Du das einfach so “definierst”, daß dann alles geklärt ist (zumal wenn Dein Sprachgebrauch in Deinen Texten “konsistent” gehandhabt wird dank einer reflexiven Beobachtung Deines Sprachgebrauchs).
      So funktioniert das m.E. nicht, weil Du alles Beliebige definieren / spezifizieren kannst. Ich kann bspw. wie folgt Kommunikation bestimmen: “Menschen können kommunizieren, weil hierbei Gott interveniert, so daß
      sie sich verständigen können (ein Argument, das sich mutatis mutandis bei Descartes findet). Und dann schlußfolgere ich: Gott ist “allmächtig”, ergo muß so etwas auch möglich sein. etc. etc. etc.
      Ich kann freilich jeden Schwachsinn als Ausgangspunkt nehmen und dann meinen eigenen, daran anschließenden Sprachgebrauch beobachten. Das ändert am Schwachsinn nichts – nur, daß es “konsistenter Schwachsinn” sein mag. Daher kann auch jedes “Wahnsystem” recht methodisch und konsistent aufgebaut sein.
      Eine “Definition” sollte jedoch eher einer Art “Schlußfolgerung” entsprechen. Sie kommt also “nicht am Anfang”, sondern “am Ende” von kritisch-reflexiver Begriffs- und Theorie-Arbeit (inkl. anderen reflexiven Prüfungen wie Experimenten, Simulationen, etc), die auch andere Ansätze integriert und beobachtet (schon um eine “Vergleichsgrundlage” zu besitzen).

      Obiges heißt dann:
      >Technik bezeichnet einen autopoietischen Prozess
      Wie Du selbst geschrieben hast, hat der Autopoiesis-Begriff von Maturana / Varela nichts mehr mit dem Bielefelder Verständnis gemein. Der Begriff ist durch die Bielefelder ganz anders gewendet werden, z.B. als das différance-basierte Nachtragsmanagement à la Peter Fuchs, das bei biologischen Prozessen komplett “sinnlos” ist.
      Es ist dann die Frage, ob Du – und wie “reformuliert”? – das Autopoiesis-Konzept von Maturana überhaupt für Technik verwenden kannst. Ansonsten ist das nur wieder ein “rhetorisches Manöver” Deinerseits wie zuvor Deine Bestimmung von “Artefakt / Materiellem”, die alles ist: nur keine verwertbare Inhaltsbestimmung des Materiellen.
      Also: Was kann “Autopoesis” mit Blick auf biologische Prozesse (Zellen, u.ä.) nun besagen für “technische Artefakte”?

      > Die Autopoiese beschreibt keine Handlungen sonder die Hervorbringung.
      > Der Witz ist dass kein Handelnder beobachtet wird, sondern das was auf die > Welt kommt unabhängig davon ob es einfach wächst wie Bäume oder ob es
      > hergestellt wird wie Tische
      Diese Autopoiesis-Bestimmung ist einfach nur “Rudimentär-Metaphorik”. Das ist m.E. relativ “unbrauchbar”, wenn nicht Fragen beantwortet werden wie z.B.:
      * Wie sollen sich diese Artefakte oder Technik-Operationen jeweils selbst “hervorbringen”?
      * Wie sollen sich Artefakte direkt aufeinander beziehen? (Zeichen können sich bspw. referenzieren – aber: Autos auf Autos, Fenster auf Fensterrahmen, etc.)?
      * Wie lassen sich “Grenzziehungen” ausmachen, so daß ein autopoietisches System zwischen sich und seiner Umwelt differenzieren kann?
      * Wie ist das Verhältnis zu Handlung?
      * Wie ist das Verhältnis zu sozialer Kommunikation (immerhin baut man Maschinen, Tools, etc.nicht einfach “so”: da wird recherchiert, werden Stücklisten gewälzt, Bauteile kombiniert oder gekauft oder selbst entwickelt, usf. – und das ist ohne Kommunikation und ein simultanes Prozessieren entspr. Formkomplexe als Stücklisten, Konstruktionszeichnungen, Baupläne, DIN-Normen, u.ä. nicht möglich!).
      Ohne diese Bestimmungen: keine Autopoiesis-Konzeption, sondern nur rhetorisches Jonglieren mit leeren Worthülsen. Das wäre dann natürlich auch keine Technik”theorie”…

      > Kommunikation bringt Gesprochenes und Geschriebenes hervor
      Hm, wo Du das her hast, ist Dein Geheimnis. Im konkreten Prozessieren macht das keinen Sinn. Denn ich (als Peterli) kann völlig alleine vor mich hinsprechen und hinschreiben, ohne daß das “irgend etwas” mit Kommunikation zu tun hat.
      Kommunikation kommt vor, wenn solche medialen Äußerungsweisen (nonverbal, verbal, skriptural, usf.) entsprechend “beobachtet” werden, so daß Kommunikation [bspw. als Dimension sui generis konzipiert] emergieren kann, d.h. auch: es muß ein entsprechender Koordinationsdruck vorliegen.
      Außerdem muß hier das Zusammenspiel von Medien, Kommunikation und Denken (wie auch immer konzipiert) “erklärt” werden – und erst danach machen etwaige “Definitionsversuche” oder Dikta à la “Nur die Kommunikation kann kommunizieren” Sinn. Wird Letzteres einfach definiert ohne irgendwelche Bestimmungs- und Erklärungsbemühungen, dann ist das ohne jeden Erkenntniswert.

      > Technik bringt Artefakte hervor
      Ohne die angesprochenen Erklärungen, wie das genau mit Blick auf “Autopoiesis” funktionieren kann, ist das eine Leeraussage, die Deinen obigen Kommunikationssatz “imitiert”. Also: Wortspiel ja, Erkenntniswert (bislang) nein.

      > Und wenn Du willst kannst Du das Sprechen und das Herstellen als
      > Handlungen sehen
      Das suggeriert, daß Du Technik analog zum Bielefelder Kommunikationskonzept konzipierst, bei dem es zur Handlungsvereinfachung” käme. Bielefelderisch formuliert: Kommunikation flaggt sich simplifikatorisch aus als Mitteilungshandeln. Die Operation “Kommunikation” ist gerade im Zusammenspiel mit Medien und Bewußtsein
      aber recht genau “bestimmt” (das wurde in unzähligen Texten immer weiter verfeinert). Deine Operation “Technik” müßte ähnlich ( mit Blick auf Autopoiesis, Artefakte, etc., s.o.) präzisiert werden, ansonsten bleibt das nur metaphorisch und vage. Mais, je me répète… :-(

      4) > Und das mag traditionell sein: ich unterscheide Hervorbringungen der
      > Natur von Hervorbringungen der Kultur.
      Mit Blick auf die Enttautologisierung Deiner Artefakt=Materielles (=Artefakt)-Tautologie sind sowohl der Rekurs auf Sinnlich-Gegenständliches als auch die Natur-Kultur-Unterscheidung “durch und durch traditionell”. Zu einem “Materialitätskonzept”, das irgendwie auf der Höhe aktueller Differenzansätze wie Dekonstruktion und Systemtheorie wäre, kann ich daher leider überhaupt keinen Beitrag Deinerseits erkennen :-(

      Generell bin ich von Deiner Technik-Theorie (bis auf die Präsentation des “kybernetischen Mechanismus”) ziemlich enttäuscht. Gerade da, wo es “soziologisch” werden soll (autopoietisches Technik-System, u.ä.) scheint mir das Ganze über Rhetorik / Metaphorik und idiosynkratische Imitation (Technik ist wie biologische Autopoiesis, ist wie soziale Kommunikation, u.ä.) bislang nicht hinausgekommen zu sein.
      Das gilt dann auch für das Funktionssystem “Informatik”, das gleichfalls auf eine sehr selektive und idiosynkratische Rezeption der Bielefelder Konzeptualisierung von Funktionssystemen verweist.

      Generell geraten mir bei Dir auch die Ansätze durcheinander: Kybernetik, Marxismus, Autopoiesis von M/V, Bielefelder Systemtheorie, Radikaler Konstruktivismus. Das kommt mir alles wie eine “eklektizistische Patchwork-arbeit” vor. Eine gut durchgestylte Techniktheorie stelle ich mir jedenfalls komplett anders vor…

      Na ja – vielleicht ist es besser, wenn ich mich zukünftig mehr u.a. auf mein eigenes Arbeitsprogramm (= die vier Technikoptionen) fokussiere, um zu sehen, ob ich soziologisch weiter komme, als das bislang bei Deinen Überlegungen der Fall gewesen ist. Und an meinem eigenen Informatik-Blog sollte ich gleichfalls werkeln…

      Angenehmes Restwochenende
      ~Peter

      • kybernetiks  On June 17, 2012 at 1:21 AM

        ja Peter – ich bin ganz genau Deiner Meinung. Es hilft nicht viel, wenn Du mir nachweist, was ich alles falsch mache. Es hilft nur, wenn Du irgend etwas “besser” machst, also Formulierungen findest, die wir beide verwenden können.
        Ich würde mich freuen, wenn Du Deine Beiträge HIER machen würdest, aber ich kann sie auch gerne in “Deinem anderen Blog” lesen. Ich bleibe gespannt und interessiert, wie Du die Sachen angehen wirst.

        • PB  On June 17, 2012 at 7:43 AM

          Salut Rolf,

          > Es hilft nicht viel, wenn Du mir nachweist, was ich alles falsch mache. Es hilft
          > nur, wenn Du irgend etwas “besser” machst,
          Ja, das sehe ich auch so – das Ganze ist sonst einfach zu “negativ”.
          Es geht freilich nicht um “falsch / richtig”, sondern eher um Kritik an puren rhetorischen Spielen mit Analogien, Metaphern, etc. Das bleibt in dieser Ausgestalung sehr “unbefriedigend” – und wäre in technischen Fächern so komplett inakzeptabel.
          Nun ja, ich schaue `mal, was ich wann wie machen kann. Sollte ich mich einige Zeit in diesem Blog nicht mehr melden, dann heißt das nicht, daß ich Astronaut geworden bin, sondern entweder zu viel um die Ohren habe oder einfach noch
          vieles studieren muß (immerhin habe ich ca. 60 MB an Files zum Thema “Technik” plus noch einige Bücher, die ich mir anschauen mußte, um nicht zu gr0ßen Unsinn zu schreiben).
          Unabhängig davon solltest Du Deine Idee der “Technik.-Autopoiese” sehr viel genauer ausarbeiten (auch an konkreten Beispielen): Das bleibt sonst bei vagen Analogien stehen, wie man sie aus der Geistes- und Medienwissenschaft kennt à la die “Die Sprache spricht sich selbst” – tja, wie tut sie denn das, wenn sie nicht selbst operieren kann? Dito für Medien generell – und dito m.E. auch für Deine technischen Artefakte.
          Gleiches gilt für den “Formungsbegriff”: Wie bleibt die Form erhalten, wenn sich z.B. Aggregatzustände ändern können (Eisen wird geschmolzen, etc.)? Und wie ist die Leitunterscheidung “Material / Form” genau inhaltlich zu bestimmen?
          etc. etc.

          On verra.
          ~Peter

          • kybernetiks  On June 17, 2012 at 10:37 AM

            Guten Sonntag lieber Peter !
            Die Leitunterscheidung Herstellung als Form/Material ist praktisch bestimmt im Artefakt. Ich sehe das als theoretische Setzung à la “Es gibt Systeme” – relativiert durch, unter der vorausgesetzten Annahme, dass es Systeme gibt … oder hier:
            Unter der vorausgesetzten Annahme, dass Artefakte hergestellt werden …
            Es handelt sich um eine Voraussetzung. Dass der radikale Konstruktivismus solche Voraussetzungen macht, hat beispielsweise der vormalige Konstruktivist Siegfried J. Schmidt in “Geschichten und Diskurse -Abschied vom Konstruktivismus” dargestellt und sich damit vom Konstruktivismus ausgegrenzt.

            Die praktische Bestimmung ist nicht hintergehbar. Ich kann sie verwenden oder eben nicht. Marx bezeichnet genau diese Wahl als “Historischer Materialismus”. Die Alternative ist: Am Anfang war das Wort, was morderner formuliert Triff eine Unterscheidung heisst. G. Spencer (und natürlich die Luhmänner) beobachten, was sich im Geist abspielt, also dort wo es keinerlei Artefakte oder Material gibt. Diese Wahl ist nicht hintergehbar: sie IST ontologisch. Man kann sie verwenden oder eben nicht.

            Nochmals mein PRAKTISCHER Vorschlag: ich stelle ein Werkzeug her – ohne dass ich dazu des Wort “Werkzeug” brauche. Dann liegt das Werkzeug vor mir, es wurde hervorgebracht, es existiert jetzt, während es davor nicht existiert hat.
            NACHdem es vor mir liegt, bezeichne ich es als Werkzeug und beispielsweise als Hammer. Und ich beobachte, dass das Werkzeug durch Formgebung hervorgebracht wurde. “Form” ist eine Hinbeobachtung. Für das Werkzeug ist diese Beschreibung belanglos. Ich kann den Hammer verwenden, ohne ihn als geformt zu beschreiben.

            Es ist mein Beobachten, das hier Form einführt. Und ich kann auch wieder PRAKTISCH sagen, was ich mit Form meine: Das, was ich zeichne, wenn ich das Werkzeug abzeichne.

            Das alles ist nicht hintergehbar. Ich setze es voraus oder eben nicht. Wenn ich das nicht voraussetze, setze ich vielleicht etwas anderes voraus, etwa es gibt Systeme. Im Dialog mache ich mir meine Voraussetzung bewusst, weil ich ihr ausgeliefert bin. Meine Dialogpartner können erkennen, unter welchen Voraussetzungen ich spreche. Für mich ist entscheidend, dass sie die Wahl nachvollziehen können aber keineswegs müssen. Ich setze also voraus, dass DU ein Werkzeug herstellen kannst und das so beschreiben kannst, wie ich es mache. Ich setze voraus, dass Du alles so sehen KANNST, aber natürlich nicht musst. Für mich ist fatal, wenn Du kein Werkzeug herstellen kannst oder wenn Du das Werkzeug nicht als hervorgebracht erkennen und abzeichnen kannst. Wenn Du das nicht KANNST, dann bin ich alleine.

            • Peter Bormann  On June 17, 2012 at 12:26 PM

              > Für mich ist fatal, wenn Du kein Werkzeug herstellen kannst oder wenn Du
              > das Werkzeug nicht als hervorgebracht erkennen und abzeichnen kannst.
              > Wenn Du das nicht KANNST, dann bin ich alleine.
              OK. Wenn ich idR Injunktionen (mündliche Anweisungen, Baupläne, Konstruktionszeichnungen, etc.) habe, dann kann ich analog zu “Kochrezepten” ggf. (z.B. wenn ich nicht völlig ungeschickt bin), etwas konstruieren (eine Schaltung, einen Roboter, Alltagsgegenstände wie Tische, Stühle, whatever).
              Ich kann auch verstehen, daß es auf das Material (die Materialauswahl, die Beschaffenheit und andere Materialeigenschaften) ankommt. Und ich kann auch die “Bearbeitung” des Materials (z.B. die Herstellung von Wellblechdächern anstelle von Flachblechdächern, weil bei Ersteren die “Stabilität” besser ist als bei Letzteren) als “Formung” nachvollziehen.
              Aber warum muß bei der Formung unterschieden werden, zwischen “flüchtig” nd “persistent”, so daß Flüchtiges (wie Orales oder nonverbale Ausdrucksformen) “keine” Artefakte , Persistentes (Geschriebenes, Gedrucktes, etc.) aber “Artefakte” seien? [wie zuletzt getextet: auch bei unterschiedlich persistenten Medienträgern wie Papier, Pergament, Holz, Stein, CDs, DVDs, usf. existieren unterschiedliche “Grade” der Persistenz und Flüchtigkeit – und die flüchtigen Schallwellen der Sprache lassen sich ja gleichfalls “fixieren” in wiederholt abspielbaren “Tonaufnahmen” (Schallplatten, Radioaufzeichnungen, etc.)? ]
              Was spricht also dagegen, daß der Material(formungs)begriffs auch Mediales (wie Schallwellen) umfaßt, so daß hier einfach ein “allgemeiner Artefakt-Begriff” zugrunde gelegt werden kann? Man kann ja immer auch auf den Tool-Charakter von Sprachlichen / Semiotischem i.a. verweisen?

            • Peter Bormann  On June 17, 2012 at 1:13 PM

              Übrigens (bevor ich mich für heute verabschiede, weil jetzt Informatik ansteht):
              “theoretische Setzung à la ‘Es gibt Systeme’ – relativiert durch, unter der vorausgesetzten Annahme, dass es Systeme gibt …”
              Ich würde das nicht als eine (beliebige) theoretische Setzung verstehen, sondern vielmehr als Resultat der Descarteschen Einsicht, daß Operieren (im Sinne von “operantes sumus”) unumgänglich ist. Ich kann also alles anzweifeln, nur nicht, daß ich operiere, während ich operiere (denke, schreibe, spreche, etc.).
              Oder allgemeiner (über Ich-Bezüge hinaus) getextet: “Es” wird operiert, daher muß auch von einem (geschlossenen) Operationszusammenhang, der dann als “System” bezeichnet wird, ausgegangen werden. Denn ein Denken / Kommunizieren außerhalb des eigenen Operationszusammenhangs würde ins Leere verlaufen -> wo soll in der “Umwelt” angeschlossen werden, wenn nicht an die eigenen Operationen, die dann im Systeminneren verortet werden?.
              Das “es gibt Systeme” ist folglich weniger eine (Voraus-)Setzung als vielmehr eine Schlußfolgerung aus der vorangestellten Operationsüberlegung (als einer Variation des “cogito, ergo sum”).
              Irreführend sind allerdings beim “Es gibt Systeme” alle möglichen Raummetaphoriken (Innen-Außen) und Quasi-Ding-Orientierungen für solche prozessierenden Differenzen, wie Herr Fuchs nicht müde wird, zu monieren.
              Aus heutiger Sicht hätte Luhmann womöglich anders formulieren sollen: “Es wird operiert mit Blick auf vorhergehende / nachfolgende Operationen -> Operationszusammenhang -> mögliche Unterscheidungen: Sy-Umwelt, Operation-Beobachtung, Medium-Form.”
              Deine Material/Form-Differenz wäre dann genauso universell wie bspw. Medium-Form oder System-Umwelt, wenn ein “generalisierter” Artefakt-Begriff verwendet würde. Denn in einem restringierten Artefakt-Verständnis käme diese Differenz bspw. bei Oralität / nonverbaler Kommunikation ja nicht zum Tragen. In einem generalisierten Artefakt-Verständnis könnte die Material/Form-Unterscheidung dann gestärkt werden, weil sie als “unhintergehbar” angesehen würde.
              CU
              Peter

  • kybernetiks  On June 16, 2012 at 6:53 PM

    Ich sage zuerst etwas ganz anderes: Autopoiese ist ein ziemlich leerer Ausdruck, der ziemlich synonym zu Selbstorganisation ist. Selbstorganisation war einfach physikalisch besetzt, deshalb hat Maturana ein biologisches Kunstwort geschaffen.
    Beide Ausdrücke erklären nichts, sondern verweisen auf Sichtweisen (Theorien).

    Von Autopoiese (oder Selbstorganisation) spreche ich dort, wo ich bewusst keinen Verursacher, etwa einen handelnden Menschen hinbeobachte.

    Ich mag Aristoteles nicht analysieren, es kümmert mich wenig, ob oder inwiefern er so gedacht hat wie ich. Mich kümmert aber sehr (extrem sehr), inwiefern meine Dialogpartner meine Unterscheidungen auch machen KÖNNEN. Und eine Unterscheidung, die ich bei Technik eben verwende lautet kurz: hergestellt, so wie es die Natur nicht macht. Was Aristoteles im obigen Abschnit der Natur zudichtet, finde ich sinnlos (aber das sagt mehr über mich als über ihn: ich sehe keinerlei Sinn darin).

    Nochmals zum Marxschen Beispiel der Biene als Baumeister: Die Bienen die ich kenne, können keinen Bienenstock herstellen, weil sie nichts anderes herstellen können, und weil sie den Bienenstock nicht weiterentwickeln können. Marx sagte: der menschliche Baumeister baut vielleicht nicht so gut wie die Biene, aber er weiss, was er baut und dass er anderes bauen kann.
    (Und nebenbei: Marx sagte auch schon, dass Aristoteles Sklavenbesitzer war und deshalb ganz einfache Zusammenhänge nicht erkennen konnte, das leuchtet mir i dem Sinne ein, dass ich das auch sage.)

    • kybernetiks  On June 17, 2012 at 3:30 PM

      ((Dieser Kommentar ist am falschen Ort, er schliesst weiter oben an))
      > ich kann etwas konstruieren. Ich kann das Material wähle. Und ich kann die “Formung” nachvollziehen.
      gut Peter, ich bin froh, dass Du mich da nicht alleine lässt. Das ist mir wichtig. Mir ist nicht wichtig, dass Du diesem Ansatz folgst, mir ist nur wichtig, dass Du es im Prinzip könntest.
      > Aber warum muß bei der Formung unterschieden werden, zwischen “flüchtig” und “persistent”

      in der systemtheoretischen Literatur wird die Unterscheidung, die ich meine, nicht durch flüchtig/persistent bezeichnet,
      sondern durch konservativ/dissipativ.Als “dissipativ” bezeichne ich eine Struktur, die nur durch Aufnahme von Energie erhalten bleibt. Dissipative Strkturen sind in einem Fliessgleichgewicht. Beispiel: die Struktur einer Kerzenflamme.
      Als “konservativ” bezeichne ich eine Struktur, die im Unterschied zur dissipativen Struktur – durch Aufnahme von Energie
      zerstört wird. Beispiele: die Struktur eines Kristalles, die Struktur eines Zeichenkörpers aus Graphit.

      Ich unterscheide damit beispielsweise “Gesprochenes” und “Geschriebenes”. Mir ist wichtig, dass Du die Unterscheidung
      machen KANNST. Ich verwende das Wort Artefakt nur für letzteres, aber wichtig ist die Unterscheidung, nicht die Benennung.
      Die Persistenz sehe ich wie Du als Differenz zwischen persistent und flüchtig. In hinreichend langer Zeit ist alles flüchtig, aber das ändert an der Unterscheidung nichts. Was ich spreche, ist gleich wieder weg und was ich auf Papier schreibe, bleibt für eine bestimmte Zeit erhalten.

      Du sprichst einen zentralen Punkt in meiner Technikauffassung an:
      > und die flüchtigen Schallwellen der Sprache lassen sich ja gleichfalls “fixieren” in
      > wiederholt abspielbaren “Tonaufnahmen” (Schallplatten, Radioaufzeichnungen, etc.
      die Schallwellen lassen sich nicht fixieren, sondern mittels Artefakten wiederholt erzeugen. Die Schallplatte sit ein Artefakt, während die Schallwelle ein flüchtiges Signal ist. Wenn ich spreche, erzeuge ich ein Signal. Wenn ich schreibe, stelle ich ein Artefakt her, das ich Dir beispielsweise per Post schicken kann. Der Text behält seine (konservative) Struktur bis er bei Dir ist. Wenn Du den Brief liest, fliessen Signale von den Zeichenkörpern des Textes zu Deinen Augen.

      Für mich ist sehr wichtig, dass Du das SO sehen KANNST, aber natürlich nicht so beobachten MUSST. Ich wüsste nicht, wie ich einen Computer ohne diese Unterscheidungen technisch begreifen könnte.Es geht bei der Kommunikation von C. Shannon und in der Kybernetik darum, Signale durch Artefakte zu strukturieren.

    • stromgeist  On June 18, 2012 at 1:56 PM

      Ich habe den Eindruck, Du springst immer zwischen zwei verschiedenen Positionen. Einmal die der “Autopoiesis” (übrigens eine Adaption/Transformation der aristotelischen poesis, aber das nur unwesentlich und am Rande), die also” bewusst keinen Verursacher, etwa einen handelnden Menschen hinbeobachtet” und dann die der “Artefakte”, für die es wesentlich ist, dass man einen solchen, und zwar menschlichen Verursacher hinbeobachtet. Das ist etwas verwirrend bzw. inkohärent für mich.

      Kohärent könnte ich es mir entweder vorstellen, wenn der Verursacher selber Teil der Poesis ist, dann ist der Mensch nur Erfüllungsgehilfe, Vollzugsorgan der technischen Selbstevolution und dann kommt man sicher bei dem heraus, was Kevin Kelly das Technium nennt. Oder die andere Möglichkeit, es sich kohärent vorzustellen scheint mit eben die aristotelische Variante, Technik als Erfüllungsgehilfen, als Vollzugsorgan der Natur, heute würde man wohl sagen: der Evolution, zu betrachten.

      Beide Varianten scheinen mir indessen durch ihre evolutionäre Perspektive auf eine Naturalisierung der Technik hinauslaufen. Aber das möchtest Du ja gern vermeiden, weswegen Du ihre anthropozentrische Begrenzung in kauf nimmst, wodurch wieder die Inkohärenz entsteht und die Schleife von vorn beginnt.

      Das zeigt sich auch noch einmal in Deiner Haltung zum Bienenstock: Was bringt Dich darauf, dass die Bienen ihren Stock nicht entwickeln? Wer hat den Stock dann entwickelt? Vom Himmel gefallen ist er nicht. Also war es die Evolution und die Bienen sind nach vollbrachter Tat einfach eingezogen? Wenn sie ihn wirklich entwickeln würden, hätten sie sicherlich schon längst Computer eingebaut… Ich sage das jetzt absichtlich so ein bisschen ironisch, weil mir Dein Urteil von einem menschlichen Zeitmaß von Entwicklung bestimmt zu sein scheint und mit dem Verweis auf die Idee des Baumeisters ist Marx einfach noch Idealist. Das Internet hatte NIE irgendein Baumeister vorher als Idee im Kopf. Also sind wir auch nur Bienen… ? Ach nein, wir entwickeln es ja weiter – oder entwickelt “es sich”?

      • kybernetiks  On June 18, 2012 at 4:05 PM

        Ich sehe nicht, dass ich hin und herspringe, sondern dass ich zwei Beschreibungsebenen verwende um anschaulich(er) zu bleiben.

        Ich spreche von einem autopoietischen Prozess der Artefakte hervorbringt und entwickelt. Dabei ist die Verursachung nicht in Betracht, ich beobachte nur die Artefakte und stelle sie in eine evolutionäre Reihe – was ich als Evolutions-Theorie bezeichne.

        Der Anschaulichkeit wegen bringe ich einen Verursacher ins Spiel. Ich sage, dass es ein toolmaking animal gibt, dass die Artefakte herstellt. Auf diese Weise sage ich etwas darüber, was ich als Artefakt beobachte. Das ist nicht notwendig, aber anschaulich, weil es mir erlaubt, die Teleologie zu thematisieren, die ich oft als Verständnis erlebe, das ich gerade nicht meine.

        Das toolmaking animal (ob ich es als Mensch oder als Menge von Mensch und Rabe auffasse) ist ein Hinbeobachtung. Die eigentliche Beobachtung bezieht sich auf die Artefakte und darauf, welche Operationen sie verkörpern.

        Ich bin sehr froh, wenn Du mir sagst, wo ich das verletze, also wo mein Argumentation inkonsistent DAZU ist. Ich glaube, Marx war kein Idealist, er hat nur nicht hinreichend bedacht, dass er idealistisch gelesen wird.

        Und natürlich stimmt, dass meine Beobachtung einen Zeithorizont hat. Ich habe keine Ahnung, was Steine und Bäume in etwa 4 Milionen Jahren alles tun, weil ich nur zurückblicke. Und weil ich Maschine beobachte, schaue ich auf eine sehr kurze Zeit von etwa 300(0)(0) Jahren zurück.

  • kybernetiks  On June 17, 2012 at 3:54 PM

    ((Dieser Kommentar ist am falschen Ort, er schliesst weiter oben an))

    > Deine Material/Form-Differenz wäre dann genauso universell
    > wie bspw. Medium-Form oder System-Umwelt, wenn ein “generalisierter”
    > Artefakt-Begriff verwendet würde. Denn in einem restringierten Artefakt-
    > Verständnis käme diese Differenz bspw. bei Oralität / nonverbaler
    > Kommunikation ja nicht zum Tragen. In einem generalisierten Artefakt-
    > Verständnis könnte die Material/Form-Unterscheidung dann gestärkt
    > werden, weil sie als “unhintergehbar” angesehen würde.

    hmmm … mir geht es nicht um eine universelle Differenz, sondern um Differenzen, die ich zur Beschreibung von Technik brauche. Oralität und nonverbale Kommunikation brauche ich zur Beschreibung von Technik nicht, ich brauche aber einen klaren Begriff von Signal, den ich ohne Artefakt nicht denken kann.

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  • By Was-ist “Technik” ? « kybernetics on June 14, 2012 at 3:36 PM

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