Kybernetik

Kybernetik kann als Technologie gesehen werden, die sich mit der Regelung von Systemen befasst. Den Name “Kybernetik” wählte N. Wiener in wissenschaftshistorischer Anlehnung an C. Maxwell, A. Ampere und Plato, die sich alle irgendwie mit Regelung befasst und dabei den Steuermann ins Spiel gebracht haben. Kybernetes heisst bei Plato der Steuermann des Schiffes und des Staates. A. Ampere hat die Metapher für seine Gesellschaftsvorstellungen mit dem römischen Wort “Governator” übernommen. Und C. Maxwell nannte seinen Fliehkraftregler Governor, weil er die Funktion des Steuermanns an der Dampfmaschine erfüllte. N. Wiener wählte dann für seine allgemeine Regelungstechnologie wieder den griechischen Ausdruck als Er-Satz für die etwas umständliche Umschreibung “zirkulär-kausale und Rückkoppelungsmechanismen in biologischen und sozialen Systemen”.

Es gibt sehr viele Einführungen in die Kybernetik. Die wohl bekannteste ist jene von R. Ashby, wenn man N. Wieners Buch “Kybernetik” nicht auch als Einführung liest. Im vorliegenden Text geht es mir nicht um die Kybernetik, sondern um eine Erläuterung von kybernetischen Sicht- oder Beobachtungsweisen. Es geht hier also nicht darum, wie ein Schiff, ein Staat oder eine Dampfmaschine gesteuert wird, sondern um die Art und Weise der Beobachtung, die der Kybernetik zugrunde liegt.

Die Kybernetik sehe ich als Anweisung zur Konstruktion von Erklärungen, die auf die Frage “wie funktioniert das?” antworten. Diese Frage hat zwei Intensionen: Einerseits kann ich mich als Beobachter fragen, wie ein bestimmtes Phänomen zustande kommt und andrerseits kann ich mich als Ingenieur fragen, wie ich dieses Phänomen erzeugen könnte. Ich kann mich beispielsweise fragen, warum es in meiner Wohnung immer etwa zwanzig Grad warm ist, und ich kann mich fragen, was ich konstruieren könnte, damit es in meiner Wohnung immer etwa zwanzig Grad warm ist. In beiden Fällen ist die Extension der Frage eine Steuerung, die ich als Regelung der Temperatur begreifen kann.

Ich bezeichne Konstruktionen, die ich in Erkärungen beschreibe, als kybernetische Systeme.  Was ich beschreibe, begreife ich technologisch als Automat, also als geregelte Maschine. Weil es aber nicht Maschinen sind, die ich herstellen will, sondern Referenzobjekte von Erklärungen, beschreibe ich nicht vor allem die Konstruktion, sondern viel mehr die Funktionsweise. Und wo ich die Funktionsweise akzentuiere, spreche ich von Mechanismen statt von Maschinen.

Wenn ich die Funktionsweise beschreibe, spielt zunächst das Material der Konstruktion keine Rolle. Und wo das Material keine Rolle spielt, wird auch die Konstruktion gleichgültig, so dass nur noch die Funktion interessiert. Schliesslich kann man die Technik ganz aus den Augen verlieren und sich mit mathematischen Formalismen befassen. Diese zunehmende Abstraktion wiederspiegelt die Entwicklung vom handwerklichen Werkzeughersteller zum Ingenieur und sie erklärt auch, warum Hochschulingenieure gegenüber von Mathematikern und Physikern oft einen Minderwertigkeitskomplex thematisieren: “Ich bin halt nur ein Ingenieur, ein praktischer Anwender des heiligen Wissens der eigentlichen Wissenschaften”

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