Textwerkzeuge

Weil ich den Computer als Werkzeug auffasse, das mir dazu dient, am Bildschirm beispielsweise einen Text zu erzeugen, will ich hier noch etwas genereller über Textwerkzeuge und über das Erzeugen von Text nachdenken. Um die Komplexität etwas zu reduzieren, spreche ich zunächst über das Schreiben mit einem Bleistift, weil ich den Bleistift wie den Computer auch als Werkzeug zum Produzieren von Text begreife. Als Text überhaupt bezeichne ich jede durch eine Grammatik (Chomskygenerator) generierte Menge von Zeichenketten, unabhängig davon, wozu sie verwendet wird. Abstrakt, als Texte sind sich ein Computerprogramm und ein Liebesbrief gleich.

Texte sind – in dem Sinne, dass ich sie mittels Werkzeugen erzeuge, materielle Artefakte. Die Textwerkzeuge, also etwa der Bleistift dient mir nicht beim Auswählen dessen, was ich schreibe, sondern beim Herstellen der Buchstaben. Wenn ich Text also nicht mentalistisch abgehoben als eine “(schriftlich fixierte) im Wortlaut festgelegte Folge von Aussagen” (etwa Duden, LexiRom 1995), sondern als ein von Menschen intentional hergestelltes Produkt sehe, kann ich nicht nur nach seiner Wirkung, sondern auch nach seiner Gegenstandsbedeutung (Holzkamp 1976) fragen. Die Gegenstandsbedeutung von Text liegt nicht in der Verwendung von Text und ist nicht eine irgendwie geartete inhaltliche Bedeutung, die mittels Text übermittelt werden soll, sondern die Funktion des gegenständliche Textes innerhalb der Funktionsweise eines übergeordneten Prozesses.

Jede Funktionsweise steht in einem funktionalen Zusammenhang. Text als Gegenstand dient der Strukturierung von Signalen, die ins Auge des Lesers fallen. Hier interessiert mich diese Funktion in Bezug auf die Herstellung von Text. Wenn ich Text produziere, mag ich zwar mehr oder weniger oft einen von Menschen interpretierbaren Verweis intendieren, aber ich konstruiere einen materiellen Gegenstand, also etwa eine pixelmässig geordnete Graphitkonstruktion, wozu ich eben ein Textwerkzeug verwende. Diese Graphitkonstruktion kann ich als Artefakt auffassen, ohne mich dafür zu interessieren, was der Text für wen bedeuten soll. Von einem Artefakt spreche ich – wie Archäologen – ja genau dann, wenn ich das Hergestelltsein jenseits einer intendierten Verwendung meine.

Das Herstellen von Text verlangt wie jede Herstellung eine doppelte Entscheidung. Ich wähle die Form, also ob ich ein A oder ein B schreibe, und ich wähle das Material, also ob ich mit Graphit oder mit Kreide schreibe. Wenn ich einen Bleistift verwende, habe ich die Materialwahl quasi vorgängig entschieden, weil das Werkzeug einen Materialbehälter beinhaltet.

Die Textherstellung, in welcher ich einen Bleistift als Werkzeug verwende, ist ein Prozess, in welchem der Bleistift mit Energie bewegt und gesteuert wird. Das heisst, das Werkzeug ist Teil eines kybernetischen Mechanismus, der angetrieben und geregelt ist. Beim Schreiben bewege ich den Bleistift so, dass die Graphitkonstruktion in der richtigen Form entsteht. Wenn ich sehr schön schreiben will, etwa als Kind in der Schule, muss ich sehr genau aufpassen, wohin ich den Bleistift führe, das heisst ich korrigiere meine Handbewegungen unter einer laufenden Beobachtung des Resultates.

Wenn ich eine Schreibmaschine verwende, forme ich die einzelnen Buchstaben nicht mehr, dann forme ich nur noch die Wortkörper als eine Zusammenstellung von Buchstaben. Das Herstellen der Buchstaben erfolgt also anders als wenn mit einem Bleistift geschrieben wird. Das Material des Buchstabens kommt bei der Maschine vom Farbband, die Form des Buchstabens kommt von der Drucktype (Letter) und der Platz des Buchstabens wird durch die Position der Walze, die das Papier trägt bestimmt. Wenn ich mit mit dem Bleistift schreibe, kommt das Material des Buchstabens aus der Mine, die Form und den Platz bestimme ich durch meine Handbewegungen.

Die ersten Schreib”maschinen” waren Werkzeuge, die von Hand angetrieben wurden. Die elektrischen Schreibmaschinen haben einen Motor, sind also eigentliche Maschinen. Bei ihnen entfällt das kraftaufwändige „Tippen“, was das Tippen schneller macht. Und die Kraft, mit welcher der Typenhebel auf das Papier schlägt, ist gleichmässig, was ein schöneres Schriftbild ergibt.

Die “elektronischen” Schreibmaschinen sind sehr spezifisch ausgelegte Computer, die nur als Schreibmaschinen dienen. Sie enthalten einen Prozessor, durch welchen das Tippen auf der Tastatur von der Herstellung der Buchstaben auf dem Papier entkoppelt wird, wodurch verschiedene Vorteile entstehen, die ich hier nicht ausführen will, weil es mir hier nur um die Entwicklungsreihe Werkzeug, Maschine, Automat geht. Innerhalb der Schreibmaschine wiederholt sich quasi die Reihe Bleistift, Schreibmaschine, Computer.

Die Werkzeuge zur Textherstellung entwickeln sich also in genau derselben Logik wie alle Werkzeuge. Auf der Stufe der Maschine entlasten sie mich in Bezug auf Antriebsenergie und auf der Stufe des Automaten entlasten sie mich in Bezug auf Steuerungsaufgaben. Die Schreibmaschine entlinearisiert diese Entwicklung teilweise, weil bereits die mechanische Maschine wesentliche Steuerungsfunktionen ersetzt. Der Computer als Schreibwerkzeug zeigt seine Vorteile hauptsächlich in typografischen Aspekten und natürlich beim Bearbeiten von bereits geschriebenen Texten.

Der die Entkoppelung des Tippens und des Ausdruckens durch den Computer sorgt unter dem Stichwort “Digitalisierung” für allerlei begrifflichen Unsinn, wie etwa einer nicht materiellen Schrift. Ich werde später darauf eingehen.

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Comments

  • Peter Bormann  On March 4, 2012 at 9:52 AM

    Hi Rolf,

    “ich konstruiere einen materiellen Gegenstand, also etwa eine pixelmässig geordnete Graphitkonstruktion, wozu ich eben ein Textwerkzeug verwende.”
    Nun ich denke, Du kennst meine Position. Daher schreibe ich auch nichts
    dazu. Ich schaue `mal, ob ich demnächst einen längeren Artikel schreiben kann, warum Mediengebrauch nur möglich ist, wenn “Materielles” (im klassischen Sinne) herausfällt. In diesem Sinne ist die These einfach: “Schrift oder andere Medienformen funktionieren entweder “nicht materiell” oder gar nicht (und als transklassische Objekte “sind” sie auch nicht an- oder abwesend)!

    Und was die “Materialwahl” angeht, so ist das nur “eine” Entscheidung entre autres, die bei der “Artefakt-Produktion” stattfindet. Hier spielt der ganze Kontext rein: welche Oberfläche wird selegiert? welches Tool? wie wird das Tool benutzt?, welches sonstige Hintergrundwissen und welche sonstigen Kenntnisse (Computerkenntnisse, Alphabetisierung, Kenntnisse welcher Sprache und welcher Rede- oder Textgattungen, usf.) müssen vorausgesetzt werden?
    Und daher überzeugt auch folgende Aussage nicht:
    “Das Herstellen von Text verlangt wie jede Herstellung eine doppelte Entscheidung.” Es verlangt m.E. eine “Vielzahl” von Entscheidungen [s.o.], von denen Du nur zwei herausgreifst.

    Die Tool-Logikreihe finde ich freilich nachvollziehbar – wenn ich von common sense-Positionen (zu Texten, u.ä.) abstrahiere – wobei hier wohl auch “Vernetzungseffekte” zentral sind (ein einzelnes Fax ist wertlos, es braucht vielmehr eine Vielzahl von Faxgeräten; dito bei Computern, etc.)

    “Der Computer als Schreibwerkzeug zeigt seine Vorteile hauptsächlich in typografischen Aspekten und natürlich beim Bearbeiten von bereits geschriebenen Texten.” Das scheint mir doch eine “starke” Simplifizierung des computerbedingten Arbeitens mit Texten zu sein:
    * automatische Generierung / Verarbeitung von textueller Information (datenbankgestützte Anfragen, computer-aided support beim Schreiben / Programmieren, u.ä.),
    * Vermeidung von Medienbrüchen (durch Ausdrucken, Faxen, etc.)
    * Beschleunigung der schriftlichen Kommunikation durch Netzwerkverbindungen,
    * Ermöglichung der Ausdifferenzierungen zeitlicher und räumlicher Art (Email, Chat, Web2.0-Techniken, usf.),
    * die Vielfalt von Möglichkeiten bei der neusten Form des “technischen Schreibens”, also: dem Programmieren,
    * Möglichkeiten von Seitenbeschreibungs- bzw. Auszeichnungssprachen mit der Trennung von Layoutinformation und Inhalten
    * Möglichkeit von primär maschineller Verarbeitung von Texten, z.B. bei XML-basierten Dokumenten
    * neue Formen kollaborativen Schreibens
    * neue Kombination von Texten mit anderen Medien als Hyper- und Multimedia-Informationssysteme (Text-Bild-Ton-Film, etc. Hybridisierungen)
    etc.

    ~Peter

  • Rolf Todesco  On March 4, 2012 at 10:14 AM

    Ach Peter, einmal mehr zählst Du auf, was ich ALLES nicht geschrieben habe in meinem doch sehr kurzen Beitrag. Für das, was Du aufzählst, bräuchte ich ein dickes Buch, nicht eine halbe Seite.

    Auf eine Kritik will ich hier aber eingehen, weil die Beobachtung nicht deklariert ist. Ich beobachte Text als Artefakt, dh ich unterscheide ein hergestelltes Ding vom Rest der Welt. Dieses Ding hat nichts zu tun mit irgendwelchen Sprch- oder Computerkenntnissen von irgendwem, auch nicht damit, wer es mit welchen Werkzeugen hergestellt hat usw. Es ist ein Ding und besteht deshalb aus einem Material und es hat eine Form. Natürlich hat das Ding auch ein Gewicht, das ist aber im Material und in der Form aufgehoben. Das Ding hat auch eine Oberflächenbeschaffenheit, was auch in der Form aufgehoben ist, weil verschiedene Oberflächen nichts anderes als verschiedene Formen sind unter der Lupe sind.

    Meine Beobachtung ist mithin als Unterscheidung/Bezeichnung gegeben und – ich hoffe – nachvollziehbar gegeben. Ob diese Beobachtung Sinn macht, hat in der Tat nichts mit der Beobachtung zu tun, sondern damit, wer was mit der Beobachtung anfangen kann.

    Wenn sich jemand nur für Fussballtechnik interessiert, braucht er diese Beobachtung nicht, er kann sie aussen vor lassen. Wenn aber jemand von Text spricht, muss er diese ODER EINE ANDERE Beobachtung verwenden. Ich bin gespannt, auf Deine Beobachtung. Ich freue mich ohne jede Eile darauf

    • Peter Bormann  On March 4, 2012 at 2:24 PM

      “Text als Artefakt, dh ich unterscheide ein hergestelltes Ding vom Rest der Welt.” Ich denke, André und ich sollten uns zuerst `mal um eine Thematisierung dieser Position kümmern. Ich kann Dir hier folgen bis zum “Herstellen” – weiter nicht. M.E. wirbelst Du dann die Bezugssysteme common sensual durcheinander: Ein Computer mag vieles tun, aber ich kann nicht erkennen, daß er Texte / Zeichen / Formen “produzieren” oder, strictu sensu, verarbeiten kann. Genausowenig wie das der menschliche Wahrnehmungsapparat oder das Gehirn oder die Milz oder Antikörper tun können. M.E. ist der Computer hierfür das völlig “falsche” Bezugssystem.

      Es würde hier übrigens auch nicht ausreichen, zu texten: “Ich sehe es aber so (sensu: “wahrnehmen).” Denn die Frage ist, wie Du es “erklärst” – es sei denn, Evidenz soll als Reflektionsschutzwehr fungieren.

      Das Problem ist auch “nicht” die Kybernetik oder die “kybernetische Erklärungsweise”, sondern das, “womit” erklärt wird (z.B. Common sense oder realistische / materialistische Erkenntnispositionen, keine Wahrnehmungstheorien, nicht vorhandene Semiotik oder ähnliche Ansätze, etc.).
      Anders gesagt: Die kybernetische Erklärungsweise steht und fällt “nicht” mit der Kybernetik als Position, sondern mit der “Qualität” der zugrunde gelegten (idR wohl “völlig” unkybernetischen) Erklärungsansätze. Und genau Letzteres halte ich bspw. in diesem Fall für hochgradig problematisch.

      Ich schaue jedenfalls `mal, ob ich obiges Thema die nächste Zeit in einem längeren Post behandeln kann. Heute schaffe ich es leider nicht mehr, und auch im Laufe kommender Woche muß ich mich v.a. um`s Programmieren kümmern.

      ~PB

  • Rolf Todesco  On March 4, 2012 at 4:16 PM

    Lieber Peter, Blog heisst doch kurz und provokativ. Warum willst Du warten, bis Du einen langen Artikel hast. Das wäre dann eher ein Buch als ein Blog – oder?

    Und Kybernetik heisst – so viel ich verstanden habe , aber das kann ja wirklich gaaaanz falsch sein – mit Mechanismen erklären. So lese ichs bei W. Ashby. Ich bin auch gespannt, was Du dort anderes lesen kannst. Oder bei anderen Kybernetikern.

    • Peter Bormann  On March 4, 2012 at 6:20 PM

      Ich würde plädieren für “kurz und gehaltvoll” – und das schließt Recherchen, zumindest in wissenschaftsaffinen Blogs mit ein. Außerdem habe ich die entspr. Exzerpte schon. Ich muß sie nur nochmals studieren, weil ich einiges wieder vergessen habe. Abgesehen davon ist das Thema “schwierig”, so daß man das nicht einfach aus dem Ärmel schüttelt.

      “Funktionsweisen erklären” ist ok – nur kommt es trotzdem auf die Qualität und das Niveau an. Wenn ich einer Drei- / Vierjährigen “erkläre”, daß Informationsameisen durch den Computer und die Stromleitungen sausen, so daß dann Symbole am Bildschirm auftauchen, dann mag sie zufrieden sein [Habe ich schon gemacht: das funktioniert :-)].
      Mache ich das in einer Informatik-Prüfung, nun ja, dann hält man mich für geistig “unzurechnungsfähig”. Du siehst, Rolf, mit dem “Erklären” ist es so eine Sache :-)

      ~Peter

  • martinlindner  On March 6, 2012 at 12:26 AM

    Ich stelle mal meine letzte Definition von “Text” (von textum = gewebe) einfach daneben:

    “Ein “Text” ist ein festgestelltes Schriftbild, in das nicht-sprachliche grafische und visuelle Elemente eingelagert sein können. Das heißt eine Sprach-Einheit mit drei Merkmalen: (a) eine festgestellte, verselbständigte, sichtbar gemachte und in sich geschlossene Sprach-Einheit, (b) eine für den Leserblick angeordnete Sprach-Einheit (die erst durch diese Bildhaftigkeit “Einheit” wird), (c) eine individuell adressierbare und (deshalb) weiter prozessierbare Sprach-Einheit.”

    oben ist mir nicht ganz klar geworden, bis wann es um “schreiben” geht (bzw. um den sonderfall “text schreiben”) udn ab wann eigentlich der text gemeint ist, in seiner texthaftigkeit, die gerade da anfängt, wo sie sich vom schreibvorgang ablöst.

    aber das sind ja auch zwei völlig verschiedene ausgangspunkte (schon wieder) und ich, als jemand der jahrzehntelang “textanalyse” betrieben hat, lese das mit interesse. auch wenn ich es noch nicht ganz kapiert habe.

  • Rolf Todesco  On March 6, 2012 at 1:52 AM

    hmmm … vielleicht geht es um die Abstraktion “Artefakt”. Das Artefakt als materieller Gegenstand ist ein Ding, das ich als hergestellt erkenne, aber dessen Sinn mir noch verborgen ist. Ich weiss also noch nicht, dass es ein “Text” im Sinne einer sprachlichen Funktion ist, sondern ich sehe erst die Struktur oder die Form des Gegenstandes.
    Ich sehe, dass sich bestimmte Formen (die ich dann xy oder Buchstaben nenne) nach einer bestimmten Logik wiederholen. Sie bilden verschiedene Gruppen (die ich dann Wörter nenne). Das alles hat mit Sprache noch nichts zu tun, sondern bezieht sich nur auf die Dinger, die ich als Artefakte sehen kann.
    Kannst Du solche Artefakte auch sehen?

    • Peter Bormann  On March 6, 2012 at 9:45 AM

      Rolf –
      m.E. wiederholst Du eine Position, die sich “Signifikantenmaterialismus” nennt (die Gruppe “Tel Quel” mit Julia Kristeva, et al. aus den 1960er Jahren fällt mir dazu ein), bei der so getan wird, als ob sich der sog. materielle Wortkörper (den es als “materiell” m.E. in der Semiose “nicht” geben kann) und die Bedeutungsebene “trennen” lassen. Beispiel: Erst sehe ich `mal ein Schriftbild und dann assoziiere ich (vielleicht) Bedeutungen hinzu.
      Ich würde eher sagen, es wird zwischen zwei Positionen oszilliert:
      Wahrnehmungen mit Figur / Hintergrund-Unterscheidungen und Semiose (Zeichenprozessieren), bei der stets Signifikant “und” Signifikate simultan (!) anfallen müssen (Daß man das alles triadisch fassen, dekonstruieren, etc. kann, sei hier außen vor gelassen).

      Beispiel: Wenn Du Dich von einem Text so weit entfernst (oder so sehr annäherst), daß das Schriftbild undeutlich wird, dann lägen Figuren (Schmierkleckse or whatever you may see) vor einem Hintergrund vor (= Wahrnehmungen). Sobald die Lese-Entfernung stimmt, werden automatisch Zeichen, und zwar “simultan” als Signifikant “und” Signifikat (!) prozessiert, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen: es muß die jeweilige Sprache beherrscht werden, es muß ein Alphabetisierungsprozeß durchlaufen worden sein, etc.

      Kurzum: Läuft die Semiosebemühung ins Leere, wird bspw. mit Figur / Hintergrund-Unterscheidungen (inkl. weiterer kognitiver Errechnungsleistungen) operiert – oder umgekehrt. Es kommt hier zur “Oszillation” zwischen Semiose und (semioseimprägnierter) Wahrnehmung [und das heißt: schon Wahrnehmen erfolgt auf Assoziationsbasis und damit sinn- / bedeutungsdurchtränkt, z.B. wenn Wolkengebilde als Figuren am blauen Himmel als “Schafe”, “Flocken”, “Gebirge”, etc. interpretiert werden].
      Es kann dabei durchaus von “Artefakten” gesprochen werden – nur im Unterschied wozu? IdR wohl zu “Natürlichem” (Organischem, Unbelebtem, etc.). Und das heißt: es erfolgt eine fremdreferentielle Zuschreibung, bei der z.B. mit der Unterscheidung “artifiziell – natürlich” operiert wird.

      “Das alles hat mit Sprache noch nichts zu tun, sondern bezieht sich nur auf die Dinger, die ich als Artefakte sehen kann.” Das entspricht, meiner Meinung nach (errechneten) “Wahrnehmungsentitäten” (wie Figuren vor einem Hintergrund), die sich nicht einfach in Zeichen überführen lassen, z.B. weil es sich um fremdsprachliche Schriftzeichen handelt (Chinesisch, Japanisch, u.ä.), die eine Person nicht lesen kann, so daß es bei bloßen Wahrnehmungsfiguren bleibt.

      Warum Du freilich meinst, daß Buchstaben noch keine Zeichen (A, B, C,…) darstellen sollen, ist mir ein Rätsel. Du mußt bereits die entspr. Sprache können, um überhaupt von “A”,”B”, etc. reden / schreiben zu können, sonst siehst Du (wie ein Analphabet, z.B. ein kleines Kind) Figuren à la: “A ist ein Dach mit zwei Beinchen” :-)

      @MartinLindner: Könnten Sie die Text-Definition noch ein wenig erläutern?
      1) Wie ist “festgestellt”, “verselbständigt”, “in sich geschlossen”, “individuell adressierbar”, etc. zu verstehen?
      2) Und wo bleibt eigentlich die “Bedeutungsebene” – oder handelt es sich hier auch um eine Variante von Signifikantenmaterialismus?
      3) Zudem fehlt mir bei dieser Definition der Beobachter, d.h.: Text “ist” (nicht), sondern fällt m.E. eher als errechnetes (i.e. generalisiertes, abstrahiertes, sinn- bzw. bedeutungsbasiertes, etc.) Beobachtungsartefakt” beim Operieren / unterscheidungsbasierten Beobachten an [wpbei noch weitere Voraussetzungen gegeben sein müssen: Gedächtnisleistungen, Alphabetisierungskompetenz, u.ä.].
      4) “ab wann eigentlich der text gemeint ist, in seiner texthaftigkeit, die gerade da anfängt, wo sie sich vom schreibvorgang ablöst.” Das verstehe ich auch nicht ganz. Kann Text nicht immer nur anfallen, wenn operiert (hier: geschrieben / gelesen) wird – und impliziert “Schreiben” nicht automatisch und simultan “Lesen”?
      Oder als These formuliert: Schreibbasierte Visualisierung entspricht immer schon einem ersten Lesen seitens des Schreibenden?

      • martinlindner  On March 6, 2012 at 10:17 AM

        >> 1) Wie ist “festgestellt”, “verselbständigt”, “in sich geschlossen”, “individuell adressierbar”, etc. zu verstehen?

        ich verweise mal pauschal auf den blogpost, aus dem ich das herausgeschnitten habe: http://microinformation.wordpress.com/2009/03/14/text-definition-mikrotexte-hypertexte-medientexte-buchkultur-mundliche-texte/
        das hier zu reformulieren, würde ich so schnell nicht hinbekommen …

        2) Und wo bleibt eigentlich die “Bedeutungsebene” – oder handelt es sich hier auch um eine Variante von Signifikantenmaterialismus?

        ja, mir gehts eigentlich immer und vor allem um die bedeutungsebene. das mit dem signifikantenmaterialismus oben leuchtet mir ein.

        @RolfTodesco das mit dem Artefakt ist auch ok, aus meiner sicht, wenn man den schreibvorgang bzw. das “text verfassen” beschreiben will.

        3) Zudem fehlt mir bei dieser Definition der Beobachter, d.h.: Text “ist” (nicht), sondern fällt m.E. eher als errechnetes (i.e. generalisiertes, abstrahiertes, sinn- bzw. bedeutungsbasiertes, etc.) Beobachtungsartefakt” beim Operieren / unterscheidungsbasierten Beobachten an [wpbei noch weitere Voraussetzungen gegeben sein müssen: Gedächtnisleistungen, Alphabetisierungskompetenz, u.ä.].

        jein. ganz streng genommen stimmt das schon, aber ich nehme als kulturwissenschaftler eine position ein, wo ich vom einzelnen subjekt/individuum abstrahiere. der text bzw. auch die aussage existiert demnach schon “an sich”. (natürlich nur annäherungsweise, mit offenen grenzen, quasi vibrierend wie bei einem wissenschaftlichen trick-fotografie-film, und auch nur in einem einigermaßen bestimmten kulturellen kontext.)

        aber natürlich kann man immer auch auf jedes einzelne lese-ereignis hineinzoomen, bzw. kollektive lese-erfahrungen beschreiben usw.

        4) “ab wann eigentlich der text gemeint ist, in seiner texthaftigkeit, die gerade da anfängt, wo sie sich vom schreibvorgang ablöst.” Das verstehe ich auch nicht ganz. Kann Text nicht immer nur anfallen, wenn operiert (hier: geschrieben / gelesen) wird – und impliziert “Schreiben” nicht automatisch und simultan “Lesen”?
        Oder als These formuliert: Schreibbasierte Visualisierung entspricht immer schon einem ersten Lesen seitens des Schreibenden?

        ich würde sagen: “text” als quasi räumliches gewebe von semantischen verkettungen (die sich vielfach überkreuzen) entsteht immer dann, wenn man das geschrieben als selbstständiges “objekt” wahrnimmt (was noch nicht ganz dasselbe ist wie “artefakt”, weils da nicht um die materielle dimension geht und auch nicht um das “gemachte” daran).

        alle anderen aspekte von fixierten zeichenketten-geweben würde ich nicht “text” nennen, sondern z.b. (mir sehr wichtig) “aussage” im Foucault’schen sinn, also “statement-events”.

        • Peter Bormann  On March 6, 2012 at 10:43 AM

          “ich verweise mal pauschal auf den blogpost…” – Fein, danke. Das schaue ich mir genauer an.

          > wo ich vom einzelnen subjekt/individuum abstrahiere. der text bzw. auch die aussage existiert demnach schon “an sich”. (natürlich nur annäherungsweise alle anderen aspekte von fixierten zeichenketten-geweben würde ich nicht “text” nennen, sondern z.b. (mir sehr wichtig) “aussage” im Foucault’schen sinn, also “statement-events”. <
          Könnten Sie das auch nochmals erklären? Ich habe mich zwar früher intensiv mit Foucault beschäftigt (freilich primär mit seiner Machtkonzeption), aber wieder vieles vergessen.

          • martinlindner  On March 6, 2012 at 11:29 AM

            ich habe in meinem archiv nachgesehen und zu definition/aussage jetzt nur das gefunden: das geht aus von Benveniste (von dem Foucault anscheinend sein konzept hatte) und ergänzt das mit eigenen überlegungen, die 6 jahre oder so alt sind.

            http://titanpad.com/enonce

            • Peter Bormann  On March 6, 2012 at 11:43 AM

              Danke! Ich müßte meine Foucault-Exzerpte vielleicht konsultieren – wobei ich mich vage erinnere, daß ich seinen Diskursansatz nicht wirklich überzeugend fand, u.a. wg. der Fortschreibung des Medien-Welt-Dualismus, auf den wir hier schon öfters zu sprechen kamen, der aber wohl noch sehr viel genauer “beleuchtet” werden muß.

  • Rolf Todesco  On March 6, 2012 at 10:06 AM

    Peter – ja, ich wiederhole meine Position und Du wiederholst Deine Einwände. Aber ich wiederhole meine Position ja nicht für Dich, sondern in einem beränderten Kon-Text: Hier weil Martin etwas geschrieben hat, für den meine Wiederholung vielleicht keine Wiederholung ist.

    Ich werde aber einen weiteren Beitrag zu meiner Position schreiben und auch sehr gespannt auf Deine kurzen, aber gehaltvollen Artikel warten ;-)

    Ähh … weiter gehts dann mit der Unterscheidung zwischen einem Text (oder allen Texten) versus Text. Wir werden sehen

    • Peter Bormann  On March 6, 2012 at 10:59 AM

      Rolf, ist Dir in Deinem Post aufgefallen, wie oft Du schreibst, “Ich sehe (erkenne)…”. Ich würde eher sagen, Du willst das “interpretieren als …”. Das ist ok. Nur müßtest Du noch “erklären”, wie “materielle Artefakte” semiose- bzw. wahrnehmungsunabhängig (kurzum: medienunabhängig) thematisierbar sein können. Denn an dieser Stelle wird Deine Position (für mich) “nicht mehr nachvollziehbar” [wobei in der semioseimprägnierten Wahrnehmung durchaus zwischen natürlichen und nicht-natürlichen (artefaktischen = artifiziellen) Gegenständen “differenziert” werden kann].

      Das wiederholte “ich sehe (interpretiere) …” verweist m.E. auf einen “Erklärungsnotstand” Deinerseits, der durch Evidenzwiederholungen (“ich sehe als Artefakt, u.ä.”) beseitigt werden soll.

      • Rolf Todesco  On March 6, 2012 at 11:20 AM

        Peter – Du machst eine Beobachtung zu meinen Beobachtungen. Luhmann nannte das Beobachter beobachten. Ich interpretiere den Ausdruck Beobachtung 2. Ordnung aber als Selbstbeobachtung, also nicht ANDERE Beobachter zu beobachten, sondern die eigenen Beobachtungen zu beobachten. Das heisst für mich, die eigenen Unterscheidungen/Markierungen/Bezeichnungen zu bezeichnen.

        Wenn ich sage: Ich sehe dieses oder jenes, verstehe ich das als Bezeichnen meiner Unterscheidung. Im konkreten Fall beobachte ich nicht “Text”, sondern Texte. Also nicht irgendetwas begriffliches, sondern Gegenstände die ich klassifiziere und mit dem Klassenname “Text” bezeichne.

        Ich glaube, dass Du das nicht sehen kannst, weil Dein Beobachten anders focusiert. Ich spreche beispielsweise darüber, dass ich auf meinem Schreibtisch eine Menge von Gegenständen habe und dass ich einige davon als Bleistifte bezeichne. Dabei spielt keine Rolle, ob ich zuerst Gegenstände oder zuerst Bleistift sehe oder ob das gleichzeitig geschieht. Eine Rolle aber spielt es, ob ich eine Menge von isoloierten Dingen wahrnehme, die ich als hinreichend ähnlich einer Klasse zuordnen kann.

        Probier doch bitte mal, ob Du das nicht auch kannst. Und dann sage mir, warum Du das nicht tun willst.

        • Peter Bormann  On March 6, 2012 at 12:04 PM

          “Probier doch bitte mal, ob Du das nicht auch kannst. Und dann sage mir, warum Du das nicht tun willst.” Mache ich (ständig) und ich habe auch nichts dagegen: als (ontologischer) Beobachter 1. Ordnung. Und natürlich kann man auch (post festum) seinen Unterscheidungsgebrauch beobachten oder denjenigen anderer Beobachter.

          Aber um “xy” zu erklären, ist meiner Ansicht nach (wissenschaftliche) Begriffs- und Theorie-Arbeit notwendig: wir [oder zumindest: ich :-)] können also nicht nur bei einem common sense-basierten Unterscheidungsgebrauch (1. oder 2. Ordnung) stehen bleiben, wenn erklärt werden soll, wie xy möglich ist, funktionieren kann, usf.

          Beispiel-These: “Menschen kommunizieren – Ich sage etwas zu Dir. und Du reagierst verbal / non-verbal. Nun beobachte ich genau Deine und meine Reaktionen.” Das bleibt common sense-Beobachtung bzw. -Beschreibung, wenn keinerlei wiss. Ansätze (Ethnomethodologie, Systemtheorie, sozialer Interaktionismus, usf.), die es zu diesem Thema “en masse” gibt, zur Kenntnis genommen werden. Zumal wenn die Annahme “Menschen kommunizieren” einfach ungeprüft übernommen wird.
          Da helfen dann auch weder eine Beobachtung 1. oder 2. Ordnung, wenn alles im common sense-Bereich verbleibt: Diese mögen “xy beschreiben”, aber “erklären (oftmals) rein gar nichts.”

          Daher bin ich sehr skeptisch bzgl. einer rein “ommon-sense-basierten Kybernetik”, denn das Problem ist “nicht” die Kybernetik, sondern das Verharren im Common sense.
          Nur um Mißverständnisse zu vermeiden: Common sense ist notwendig (und unhintergehbar: als Hintergrundwissen), aber für Erklärungen einfach ungenügend. Und hier kommt Wissenschaftliches ins Spiel: als Ausdifferenzierung aus dem Common sense. Und das heißt in unserem Fall bei “Texten”: natürlich schreibe ich mit einer Unzahl von Theorien im Hinterkopf. Ich bezweifle, daß ich bei diesem Thema wieder “naiv” werden kann, höchstens im Sinne einer “artifiziellen Naivität”. Aber es ist die Frage: Wie sinnvoll ist das bei diesem Thema?

          • Rolf Todesco  On March 6, 2012 at 12:30 PM

            Peter – mir geht es nicht um ein Thema, nicht um Kommunikation, nicht um Kybernetik, nicht um ….
            mir geht es hier darum, wie wir die Aeusserungen der je andern stehen lassen oder wie wir sie kommentieren oder beantworten.

            Ich stelle eine einfache Frage. Dann kann ich diese Frage einfach beantworten oder ich kann den Sinn der Frage hinterfragen oder ich kann der Frage eine Commonsensetheorie zuschreiben usw usw. Das sind alles legitime Möglichkeiten.

            Und natürlich kann ich jederzeit eine andere Frage in den Raum stellen oder beantworten usw. Das alles ist Kommunikation. Das sehe ich absolut. Und ich verhalte mich ja auch kommunikativ, wenn ich meine Frage einfach wiederhole, obwohl das vorher nicht bewirkt hat, was ich wollte.

            Das ist, was ich hier oft mache, weil es mir sinnvoll scheint. Und das ist eine Selbstbeobachtung (die ich nochmals beobachten könnte). Die jeder Fremdbeobachtung zur Verfügung steht. Meine Frage habe ich weiter unten wiederholt.

            Wie sinnvoll ist das bei diesem Thema?

            Ich sehe das Thema noch nicht. Ich sehe aber, dass ich an einem Computer sitze und Texte produziere.

      • Peter Bormann  On March 6, 2012 at 11:32 AM

        Als Konsensangebot: vielleicht sollten wir die Frage des “Materiellen”, oder genauer: das Verhältnis von “Materiellem” und “Medialem”, einklammern, denn das ist selbst eine sehr umfangreiche erkenntnistheoretische Debatte, z.B. zwischen Konstruktivismus- und Realismus-Spielarten, zwischen Non-Dualismus à la Josef Mitterer und dualistischen Positionen, etc., bei der mir selbst manches unklar ist (Ist ein operativer Konstruktivismus noch dualistisch? Muß Mitterer nicht medienspezifisch generalisiert werden? usf.).

        Wo ich Dir zustimmen kann, Rolf, ist: Es geht um eine “werkzeug- oder maschinenbasierte Herstellung von Artefakten”, sensu: fremdreferentiellen Entitäten in kommunikativen / bewußtseins- und wahrnehmungsmäßigen Umwelten. Und das besagt mit Blick auf Technisches, so zumindest meine These: es geht um “Umwelt-Interventionen”.
        Wobei ich dann hinzufügen würde: solche Umweltinterventionen sind (für unsere Spezies) nur semiose- und wahrnehmungsbasiert möglich. Wahrnehmen umfaßt dabei: Sehen, Hören, Schmecken, Riechen, Tasten, Warm-Kalt-Rezeptoren, Gleichgewichtssinn, u.ä., so daß sie für jede medienrelative Umweltorientierung und dann auch für jede medienrelative Umwelt-Intervention zentral sind.

  • Rolf Todesco  On March 6, 2012 at 12:00 PM

    Peter – Du siehst immer noch durch Deine Brille, was ich sinnvoll und recht und richtig finde. Aber durch diese Brille siehst Du nicht, was ich sehe und deshalb können wir keinen Kompromiss/Konsens finden, sondern eben komplementäre Darstellungen, die nebeneinander stehen und sich als Komplemente verwenden können.
    Ich kann/will MEINE Brille nochmals zuspitzen und fragen, ob Du diese Brille überhaupt anziehen kannst:
    Auf meinem Schreibtisch liegen ein paar Gegenstände, die ich anfassen kann. Ich kann sie als Gegenstände sehen, indem ich bewusst davon abstrahiere, was sie sonst noch sind. Und ich kann Verwandtschaften ERZEUGEN: einige sind sich ähnlicher als andere. Einige könnte ich eine Schublade legen, weil ich sie ähnlich finde. Und ich kann diese Schublade mit einem Schild versehen: Schreibwerkzeuge oder Bleistifte oder …

    Kannst Du diese Brille anziehen – oder kannst Du nur über solche Brillen nachdenken, aber nicht darüber, was sie Dir sichtbar machen würden.

    • Peter Bormann  On March 6, 2012 at 12:25 PM

      “Auf meinem Schreibtisch liegen ein paar Gegenstände, die ich anfassen kann. Ich kann sie als Gegenstände sehen, indem ich bewusst davon abstrahiere, was sie sonst noch sind. Und ich kann Verwandtschaften ERZEUGEN: einige sind sich ähnlicher als andere. Einige könnte ich eine Schublade legen, weil ich sie ähnlich finde. Und ich kann diese Schublade mit einem Schild versehen: Schreibwerkzeuge oder Bleistifte oder …”
      Dem kann ich mich als common-sense-Beobachter 1. Ordnung anschließen. Aber die Fragen, die sich mir (nicht im Alltag, sondern in diesem wissenschaftsaffinen Blog-Kontext) automatisch stellen, sind:
      * Wie erfolgt hierbei die Wahrnehmungsverarbeitung?
      * Wie erfolgt die Klassifizierung?
      * Wie werden Verwandtschaften generiert?
      usf.
      Und das bringt Kognitionspsychologie, Semiotik, Dekonstruktion, u.v.a.m. ins Spiel. Ich kann also
      keinen Sinn darin erblicken, bei kybernetischen Erklärungsmechanismen auf dem Niveau von Common
      Sense / Alltagsbeobachtung stehen zu bleiben (auch nicht, wenn dann der eigene Unterscheidungsgebrauch beobachtet wird).
      Warum? Weil das nicht viel erklärt, sondern nur den Common Sense perpetuiert.

  • Rolf Todesco  On March 6, 2012 at 12:38 PM

    ok – dann lassen wirs doch einfach so stehen. Ich schreibe, was ich sehe. Das muss Dich ja nicht ärgern. Ich bin einfach etwas vordergründig naiv. Und Du beobachtest und hinterfragst meine Naivität, wenn und solange Dir das etwas bringt.
    Meine Frage ist eben gerade nicht, WIE ich klassifiziere. Meine Frage ist, ob andere diese Klassifikationen auch machen – egal wie. Und wenn ich dann merke, dass andere diese Klassifikation auch machen, dann wird sie für mich interessant. Solange ich der einzige bin, suche ich keine WIEs dazu. Dann nehm ich es als zufällige Blödheit. Aber wenn andere mitmachen, dann beginnt für mich die soziale Frage – WIE ist das möglich, dass andere die Sache auch so sehen

    • Peter Bormann  On March 6, 2012 at 1:00 PM

      “Ich schreibe, was ich sehe.” Schon das würde ich in Zweifel ziehen. Du formulierst Common sense-Wissen aus, das Dein Sehen orientiert (nicht “determiniert” im Sinne einer harten Sapir-Whorf-These).

      > Meine Frage ist eben gerade nicht, WIE ich klassifiziere. Meine Frage ist, ob andere diese
      > Klassifikationen auch machen – egal wie.
      Nun, wenn das Common sense-Beobachtungen sind, dann kannst Du davon ausgehen, daß´andere das auch tun. I mean, it`s “common” sense, baby :-)

      Das kann einer kybernetischen “Erklärung” freilich nicht reichen. “Wie funktioniert xy?” verweist auch auf die “Güte” der jeweiligen Erklärungsansätze.
      “Aber wenn andere mitmachen, dann beginnt für mich die soziale Frage – WIE ist das möglich, dass andere die Sache auch so sehen.” Das mag Dein Anreiz sein, um mit dem “erklären” zu beginnen. Das ist freilich keine Antwort auf die Frage nach der “Güte” der jeweiligen Erklärung. Ich halte daher nicht jeden Erklärungsversuch für gleich “valide” – und ich denke, Du tust das auch nicht :-)

  • Rolf Todesco  On March 6, 2012 at 1:05 PM

    > Nun, wenn das Common sense-Beobachtungen sind, dann
    > kannst Du davon ausgehen, daß´andere das auch tun.
    > I mean, it`s “common” sense, baby :-)

    Nein, eher umgekehrt – wenn Du sagen würdest, dass Du die Sache AUCH so siehst, dann könnte ich annehmen, dass es Commonsense SEI. Aber solange Du sagst, dass Du das nicht so siehst, muss ich annehmen, dass es eben nicht common ist.

    Und bisher hast Du ja keine Gegenstände auf Deinem Schreibtisch, die Du sortieren kannst, und andere Leute haben das hier auch noch nicht. Ich bin alleine also nicht common

    • Peter Bormann  On March 6, 2012 at 1:28 PM

      “dass Du die Sache AUCH so siehst,” Strictu sensu kann ich Dein Wahrnehmen nicht wahrnehmen, sondern muß mich an Deinen Beschreibungen orientieren [und schon hier tauchen Probleme auf, z.B. bei der Annahme einer medienverschiedenen Welt (Dualismus à la Mitterer) oder einer Nicht-Dualismus-Position (die gleichfalls zu spezifizieren wäre)]. Deine Gegenstandsbeschreibungen ähneln jedenfalls sehr stark bekannten realistischen Beschreibungen (“ich sehe dies und jenes”, usf.), wie man sie von Alltagsbeobachtern i.a. kennt. Deine Besonderheit besteht im Verweis auf Artefaktherstellung und Unterscheidungsgebrauch, was ungewöhnlicher ist.

      “Aber solange Du sagst, dass Du das nicht so siehst, muss ich annehmen, dass es eben nicht common ist.” “Ich” schließe mich bei der hier diskutierten Frage (Materialität-Medialität) nicht unbedingt common-sense-Positionen an (aber muß freilich stets auch auf common sense-Wissen rekurrieren, weil es anders kaum geht), sondern rekurriere (wenig originell) auf Positionen, die in der Wissenschaft / Philosophie zirkulieren.

      “Und bisher hast Du ja keine Gegenstände auf Deinem Schreibtisch, die Du sortieren kannst, und andere Leute haben das hier auch noch nicht. Ich bin alleine also nicht common.” Mach doch einfach einen Test: Frage draussen einige Passanten, ob sie “Dinge” in Deiner Straße (Haus, Auto, Mülleimer, etc.) erkennen können – und dann frage Dich, wie “un-common” Deine Position ist :-)

      Aber das bringt uns nicht voran. Arbeiten wir lieber an den jeweiligen Positionen weiter – ohne letztliche Konsens- und Überzeugungsannahmen, die “von vornherein” kein Thema waren. Lernen kann man voneinander jedoch auch im Dissens :-)
      ~Peter

  • Rolf Todesco  On March 6, 2012 at 1:54 PM

    nur das noch lieber Peter, da wo ich wohne (abgelegener Bauernhof) gibt es draussen keine Passanten. Wieso sollte ich also DIE und nicht DICH fragen?

    Ausserdem meine ich meine Frage SO: Ich frage Dich nicht, ob DU dasselbe siehst wie ich, sondern ich frage Dich, ob DU die gleichen Formulierungen verwenden kannst wie ich für das, was Du siehst. Der Common Sense bezieht sich dann nicht darauf wer was sieht, sondern ob wir common-Formulierungen verwenden, für das, was jeder für sich und unabhängig vom anderen sieht.

    Wir müssen gar keine gemeinsame oder objekthafte Welt untersatellen. Meine Frage ist nur, ob Du so sprichst und erst wenn Du so sprechen würdest, erst wenn wir Formulierungen teilen würden, würde meine Fragen dazu anfangen. Ich sehe überhaupt keinen Grund für irgendwelche Wissenschaft, solange ich noch über nichts staunen kann.

    Ich würde staunen, wenn DU bestimmte Formulierungen mit mir teilen würdest

  • Peter Bormann  On March 6, 2012 at 2:28 PM

    Rolf, nur noch kurz (ich muß jetzt um anderes kümmern):

    “Ich würde staunen, wenn DU bestimmte Formulierungen mit mir teilen würdest”
    Ja, da würde ich über mich auch “staunen”. :-)

    Aber Konsens sollte “kein” Ausgangspunkt sein. Eher: Wie kommt es, daß Du (also: ich) solche evidenten Formulierungen nicht teilen willst?
    Antwort: Das Problem liegt in der “Art”, wie Du Deine Beobachtungen bei Zeichen zu plausibilisieren suchst.

    Aus meiner Sicht (also: zumindest aus der Sicht der Ansätze, mit denen ich operiere) sprichst Du von “Unmöglichem” (Wortkörper, Zeichenkörper, etc.) – zumindest, wenn das mehr bedeuten soll, als “hergestellt”.
    Materielles “ohne” Mediales” leuchtet mir überhaupt nicht ein. Alle common-sense-Formulierungen von Beobachtern 1.0 können wohl nichts daran ändern. Da müssen einfach (wissenschaftsbasierte) “Erklärungen” her.

  • Rolf Todesco  On March 7, 2012 at 10:08 AM

    > Aber Konsens sollte “kein” Ausgangspunkt sein. Eher: Wie kommt
    > es, daß Du (also: ich) solche evidenten Formulierungen nicht teilen
    > willst?

    Diese Frage ist die perfekte Konsensfrage: Sie fragt WARUM wir keinen Konsens haben.

    Ich dagegen würde mich über Konsens seeeeehr wundern, weil es mir unwahrscheinlich scheint. Aber wir scheinen ja auch diesbezüglich verschieden zu sehen, wer von uns ein Konsenstheoretiker ist :-)

    • Peter Bormann  On March 7, 2012 at 10:28 AM

      OK, Rolf: “we disagree to disagree.” :-)

      ~Herzlich
      Peter

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